Regeln und Register für Interessenvertreter gefordert Transparency International: "Deutschland ist ein Paradies für Lobbyisten"

BERLIN · Mal schreibt die Autoindustrie fleißig an der Verordnung für die Verbrauchskennzeichnung für Autos mit, mal bedenkt ein Spielautomatenkönig die Parteien mit reichlichen Geldspenden. Das sind nur zwei von der Organisation Transparency International (TI) wiedergegebene Fälle aus der Praxis der Lobbyisten. In diesen beiden Fällen lässt sich der Erfolg des Einsatzes an der Gesetzgebung ablesen.

 Will "Licht ins Dunkel" der Gesetzgebung bringen: Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International.

Will "Licht ins Dunkel" der Gesetzgebung bringen: Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International.

Foto: dpa

Selbst schwere Oberklassenfahrzeuge können sich als sparsam auszeichnen lassen und Geldspielautomaten werden trotz hohem Suchtpotenzials für die Spieler noch immer nicht verboten.

Es sind nur zwei von vielen Beispielen für das stille Wirken der Lobbyisten im Bund und in den Ländern. "Deutschland ist ein El Dorado für Interessenvertretung", sagt TI-Chefin Edda Müller, die die Schwachpunkte des parlamentarischen Systems in Hinblick auf die oft im Verborgenen tätigen Lobbyisten durch eine Studie des Politikprofessors Rudolf Speth von der Uni Kassel aufdecken ließ.

Es ist nicht die Interessenvertretung an sich, die Müller stört. Schließlich sichert dies Mitsprachemöglichkeiten in einer Demokratie. Aber es fehle an Transparenz, sauberen Methoden und gleichen Chancen für alle Interessengruppen. "Manche sind einflussreicher als andere", kritisiert die TI-Präsidentin. Dies hänge von den finanziellen Möglichkeiten der jeweiligen Gruppierung ab.

Forscher Speth beobachtet einen Wandel in der Arbeit der Lobby. Während in der alten Bundesrepublik vor allem Verbände bei der Gesetzgebung mitreden wollten, sind es heute zunehmend einzelne Unternehmen, Anwaltskanzleien oder spezialisierte PR-Agenturen, die sich um Politiker scharen. "Wir haben es heute bei den Interessenvertretern mit einer unternehmerischen Tätigkeit zu tun", sagt Speth.

Wie viele Einflüsterer sich in der Hauptstadt tummeln, ist nicht bekannt. Speth schätzt allein die Zahl der bundesweit tätigen Verbände auf rund 4000. Dazu unterhalten 120 große Unternehmen eigene Repräsentanzen in Berlin. 150 Agenturen, Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen bearbeiten die Abgeordneten, 200 Wissenschaftler bewerten Gesetzesvorhaben in Beiräten oder als Gutachter. Registriert ist nur ein Teil der Lobbyisten.

Das soll sich nach dem Willen von TI ändern. Die Organisation fordert die Einführung eines Registers für alle Interessenvertreter. Die Kartei müsse durch einen Verhaltenskodex für die Interessenvertretung ergänzt werden. Auch müsse es Sanktionen bei Verstößen gegen das Regelwerk geben, verlangt Müller.

Darüber hinaus plädiert TI für die Einführung einer "legislativen Fußspur". In den Gesetzesentwürfen sollen die Ministerialbeamten oder Abgeordneten künftig angeben, aufgrund welcher Interessen einzelne Formulierungen den Weg in den Text gefunden haben. Auch die vielen Sachverständigen sollen mehr Transparenz zeigen und angeben, in wessen Auftrag sie in den zurückliegenden fünf Jahren tätig waren. "Unser Bemühen ist es, Licht ins Dunkel zu bringen", begründet Müller ihren Forderungskatalog.

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