Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst Trillerpfeifen statt Turbinenlärm

KÖLN/BONN · Streik in Köln/Bonn: Kurz vor den Tarifverhandlungen setzt Verdi ein weiteres Zeichen. Der Airport Frankfurt war am stärksten betroffen.

"Wir wollen mehr! Wir sind es wert!" So schallte es am Dienstagmorgen, begleitet von lauten Trillerpfeifen, durch die nahezu leeren Terminals des Köln/Bonner Flughafens. Die Passagiere waren auf den Warnstreik der Gewerkschaft Verdi vorbereitet. Am Vorabend war bekannt geworden, dass dieser auch den hiesigen Flughafen treffen sollte.

Vor Terminal eins ist ein weißer Streik-Pavillon aufgestellt, laute Musik schallt aus großen Boxen. Circa hundert Flughafenbeschäftigte tummeln sich mit Brötchen, Kaffee und Verdi-Plastik-Weste mit der Aufschrift "Wir streiken!" vor dem Terminal. An den Scheiben des Flughafengebäudes sind rote Plakate angebracht mit der deutlichen Botschaft: "Warnstreik!"

Doch an den Schaltern des Terminals und in den Geschäften herrscht schon wieder Normalbetrieb. Vor dem Pavillon werden letzte Unterschriften gesammelt, bevor die Arbeit wieder aufgenommen wird. Der Streik liegt gegen halb zehn Uhr morgens in den letzten Zügen.

"Wir sind sehr zufrieden mit dem Streikverlauf", freut sich Verdi-Gewerkschaftssekretärin Frauke Bendokat. "Insgesamt 400 Mitglieder des Flughafenpersonals aus allen Arbeitsfeldern, ausgenommen der Feuerwehr, haben an dem Streik von null bis zehn Uhr teilgenommen." Verdi-Betriebsratmitglied Nüretdin Aydin bestätigt: "Der Streik hat was gebracht, denn wir hatten Aufmerksamkeit." Wie viele Maschinen tatsächlich stehen geblieben waren, könne man zu dem frühen Zeitpunkt noch nicht sagen, die Anzeigetafel zeige nicht alle Annullierungen an.

"Neun Passagierflüge wurden annulliert"

Beobachte man allerdings den Flugplatz, sehe man keine Flugzeuge starten, erklärt Bendokat. Gegen Mittag sorgt Flughafensprecher Alexander Weise für Klarheit: "38 Starts von Frachtmaschinen waren geplant, knapp die Hälfte ist leer, oder gar nicht geflogen. Bei den Passagierflugzeugen wurden neun Flüge annulliert und zwischen sechs und neun Uhr kam es zu mehreren Verspätungen." Auch wenn der Betreiber Fraport für den am stärksten betroffenen Flughafen Frankfurt schon bis zum Vormittag mehr als 440 Annullierungen bekannt gibt, sei die vergleichsweise geringe Anzahl der stehengebliebenen Maschinen in Köln/Bonn ein erheblicher Einschnitt, so Alexander Weise.

Neben Frankfurt und Köln legten auch die Beschäftigten der Flughäfen Düsseldorf, München, Bremen, Hannover, Münster-Osnabrück, Dortmund und Stuttgart für mehrere Stunden ihre Arbeit nieder. Doch die Fluggäste zeigten sich meist verständnisvoll. "Die Passagiere waren offensichtlich gut vorbereitet, haben umgebucht oder sind mit dem Zug gefahren", stellt Pressesprecher Verdi NRW, Günter Isemeyer fest. "Unser Ziel ist es ja, die Menschen so wenig wie möglich mit dem Streik zu treffen, aber das ist im öffentlichen Dienst sehr schwierig."

Nun sei man gespannt auf die Verhandlungen am Mittwoch und am Donnerstag in Potsdam. Sollten diese aus Verdi-Sicht schlecht ausfallen, gebe es zwei Szenarien, so Isemeyer. Entweder man rufe die Schlichtung an, die in diesem Fall von der Arbeitgeberseite mit dem ehemaligen Ministerpräsident Sachsens, Georg Milbradt, gestellt wird. Dann würden sich die Parteien unter seiner Leitung zu weiteren Verhandlungen gemeinsam an einen Tisch setzen. Den Schlichterspruch können beide Seiten annehmen oder ablehnen.

"Unsere Chancen stehen 50 zu 50"

"Das andere Szenario wäre eine Urabstimmung", erklärt der Pressesprecher. "Dann muss bei Gewerkschaftsmitgliedern die Bereitschaft zu unbefristeten Streikmaßnahmen erfragt werden." Das heiße nicht zwangsläufig, dass es zu einer flächendeckenden Arbeitsniederlegung kommt. Meist streike man strategisch und lasse in bestimmten Bereichen die Arbeit niederlegen, durch die größere Prozesse verhindert würden. Doch zunächst seien keine weiteren Streiks geplant, solang die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, versichert Isemeyer. "Es wurden alle Bereiche bestreikt und jetzt gehen wir positiv an die Sache ran. Unsere Chancen stehen etwa 50 zu 50."

Frauke Bendokat fasst die Forderungen der Verdi zusammen: "Wir fordern 6,5 Prozent, oder mindestens 200 Euro mehr Lohn für eine Laufzeit von zwölf Monaten, unbefristete Übernahme der Auszubildenden und eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung von 100 Euro. Die Flughafenbeschäftigten sollen die Safety- und Securityzulage von 90 Euro erhalten." Das Angebot der Arbeitgeber lautet nach letzten Angaben 3,3 Prozent für eine Laufzeit von zwei Jahren. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nannte das ein "substanzielles Angebot". "Aber was hat dieses Angebot für eine Substanz", fragt Verdi-Pressesprecher Isemeyer. "Allein die erwartete Preissteigerungsrate für 2012 liegt bei 2,3 Prozent. Somit kommt es wieder zu einem Reallohnverlust."

Ob sie nun mehr bekommen, weil sie es den Arbeitgebern wert sind, werden die Verhandlungen zeigen.

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