Flüchtlingsexperten: Brandanschläge in Ostdeutschland von "besonderer Qualität" "Tröglitz ist nicht überall"

BERLIN/KÖLN · Der Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz vergangenes Wochenende steht weiter im Fokus von Politik und Kirchen. Nach Ansicht des evangelischen Pfarrers des Ortes in Sachsen-Anhalt, Matthias Keilholz, haben sich zahlreiche Einwohner vereinnahmen lassen von der Stimmungsmache gegen die Asylbewerberunterkunft.

Die NPD habe sich des Themas angenommen, erklärte Keilholz gestern. Viele hätten dabei gar "nicht gemerkt, wer dieses Thema besetzt hat". Keilholz betonte, er erhoffe sich Signale "auch aus anderen Orten, aus der Politik, aus der Kirche, aus Vereinen, die deutlich sagen: Wir nehmen Menschen auf, die in Not sind. Das ist unsere allererste Menschenpflicht."

In Tröglitz selbst gingen immer mehr Menschen auf die Straße, die sich für die Flüchtlinge einsetzen wollten. In der Nacht zu Samstag hatten Unbekannte ein Wohnhaus in Tröglitz angezündet und unbewohnbar gemacht. Im Mai sollten dort 40 Flüchtlinge einziehen.

Die Ermittler gehen von einer rechtsextremen Tat aus. Am Dienstag wurde bekannt, dass in dem Ort zunächst nur eine Gruppe von zehn bis zwölf Flüchtlingen in privaten Unterkünften aufgenommen werden soll. An der Gesamtzahl von 40 Flüchtlingen solle sich aber nichts ändern.

Umstritten ist weiter, ob Tröglitz ein rein ostdeutsches Problem ist. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, es gebe zwar überdurchschnittlich starke rechtsextreme Gefährdungen in den neuen Bundesländern. Man könne aber nicht von einem ostdeutschen Phänomen sprechen.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte die Bundesregierung auf, das Thema zur "Chefsache" zu machen. Rassismus und Extremismus seien ein bundesweites Problem und müssten auch dementsprechend bekämpft werden. Der Europabeauftragte der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, hielt im Deutschlandfunk dagegen: "Tröglitz ist nicht überall". Es gebe überall die Gefahr von derartigen Brandanschlägen, doch die Situation in Tröglitz habe "eine eigene Qualität".

Das habe etwa der Rücktritt des Bürgermeisters Markus Nierth gezeigt. Nierth war Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen zurückgetreten. Momentan sehe er die Sicherheit der Flüchtlinge, die nach Tröglitz kommen sollen, nicht gewährleistet, so Kopp weiter. Das Wegschauen von Mitbürgern und Behörden müsse ein Ende haben.

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