Freihandelsabkommen TTIP gilt als gescheitert

Brüssel · Frankreich distanziert sich von dem Abkommen und läutet damit das Aus ein. Doch noch gibt es Chancen für den Ceta-Vertrag mit Kanada.

 Proteste gegen TTIP vor dem Gebäude der Europäischen Kommission.

Proteste gegen TTIP vor dem Gebäude der Europäischen Kommission.

Foto: picture alliance / dpa

Das Freihandelsabkommen TTIP steht vor dem Aus. Nur zwei Tage nach der scharfen Kritik von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an der europäisch-amerikanischen Initiative kündigte nun auch Frankreich an, die Europäische Kommission im September offiziell aufzufordern, die Gespräche mit Washington zu beenden. „Es gibt keine politische Unterstützung aus Frankreich mehr für diese Verhandlungen“, sagte Matthias Fekl, Staatssekretär für Außenhandelsfragen in der Pariser Regierung.

Sein Wort wiegt schwer, denn der Mann ist innerhalb der französischen Führung für die TTIP-Verhandlungen zuständig – auch wenn er letztlich wohl nur den Konsens nach einem Treffen der französischen Sozialisten wiederholte. Sie hatten sich in Anwesenheit von Präsident François Hollande bereits gegen eine TTIP-Fortführung ausgesprochen.

„Wir brauchen ein klares, deutliches, endgültiges Ende der TTIP-Gespräche“, sagte Fekl weiter und begründete seinen Standpunkt mit den Worten: „Die Amerikaner geben entweder gar nichts oder nur Krümel.“

Mit der bitteren Analyse steht der französische Politiker nicht allein. „TTIP ist ein totes Pferd“, sagte auch der Vorsitzende des einflussreichen Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange (SPD) gegenüber unserer Zeitung. „Wir haben die 14. Verhandlungsrunde hinter uns und keine Einigung in den zentralen Punkten öffentliche Beschaffung und Dienstleistungen erreicht.“ Selbst die amerikanischen Verhandlungsführer hätten, so Lange, den Verlauf der Verhandlungen als „painful slow“ (schmerzhaft langsam) bezeichnet. „Es ist illusorisch zu meinen, dass man in den paar Monaten, die noch bis zum Jahresanfang bleiben, ein hieb- und stichfestes Abkommen hinbekommt“, so Lange weiter.

Tatsächlich gibt es nur eine Handvoll Einigungen, die aber kaum den Kern der geplanten Freihandelszone betreffen. Bei den Zöllen hat man sich auf den Abbau von 97 Prozent der Abgaben geeinigt. Fertig sei auch ein Kapitel über Erleichterungen für kleine und mittelständische Betriebe sowie ein paar Standards im Automobilbereich. Alles andere aber wird nach wie vor kontrovers diskutiert – darunter die wichtigen Bereiche Verbraucherschutz, Agrarwirtschaft und Investorenschutz.

Gerade in diesem Punkt liegen die beiden Gesprächspartner aus Brüssel und Washington weit auseinander. Während die US-Vertreter um Delegationsleiter Michael Froman auf einem Fortbestand der bisherigen Klauseln zum Investorenschutz inklusive der geheim tagenden Privatgerichte pochen, dringt die Brüsseler Kommission auf öffentliche Instanzen, die zum Schluss in einen Welthandelsgerichtshof münden könnten. Dennoch hieß es aus dem Froman-Büro in Washington, die Verhandlungen „machen ständige Fortschritte“. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich nach der umstrittenen Gabriel-Absage an TTIP mit dem Hinweis aus der Affäre gezogen, dass die „Verhandlungen noch nicht beendet“ seien. Am Dienstag rückte mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ein weiteres wichtiges Mitglied ihres Kabinetts allerdings von dem Freihandelsabkommen TTIP ab. Von den Schutzstandards, die man im Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada erreicht habe, sei man bei TTIP „noch weit entfernt“. Steinmeier: „Man darf sich da nicht in die Tasche lügen.“

Ob auch der ausgehandelte Vertrag mit Ottawa auf dem Prüfstand steht, ist fraglich. Weder Gabriel noch Steinmeier sehen das so und auch in Frankreich scheint man die erreichten Fortschritte nicht riskieren zu wollen. Kanada hatte sich weitgehend auf die europäischen Einwände auch beim Investorenschutz eingelassen. Für TTIP aber gibt es wohl keine Perspektive mehr – zumal am 20. Januar 2017 die neue amerikanische Regierung ihr Amt übernimmt. Ob der Präsident dann Donald Trump oder Hillary Clinton heißt, macht keinen großen Unterschied. Den Freihandel mit Europa haben beide nicht auf der Agenda.

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