US-Präsidentschaftskandidat Um jeden Preis an die Macht

Cleveland · Die Trump-Anhänger feiern ihren Präsidentschaftskandidaten. Der verspricht viel, bleibt aber viel an Konkretisierung schuldig.

 Starke Worte, wie gewohnt: Donald Trump bei seiner Antrittsrede als Präsidentschaftskandidat der Republikaner in Cleveland. FOTO: AFP

Starke Worte, wie gewohnt: Donald Trump bei seiner Antrittsrede als Präsidentschaftskandidat der Republikaner in Cleveland. FOTO: AFP

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Die blau-rot-weißen Luftballons, die kurz vor Mitternacht von der Decke der „Quicken Loans Arena“ schwebten, hatten noch nicht den Boden berührt, da ging in Cleveland nach Donald Trumps überlanger Antrittsrede (75 Minuten) bereits das Bilanzieren los. „Amerikanismus wird unser Credo sein, nicht Globalismus.“ Was bedeutet die Kehrtwende nach innen, die der republikanische Präsidentschaftskandidat den USA verordnen will, für die Welt? Stimmt sein düsteres Bild von einem Amerika, in dem die Gewalt grassiert, kriminelle illegale Einwanderer zu Hunderttausenden frei herumlaufen und überall Terrorgefahren lauern? Weil Trump es wie immer konstant vermied zu erklären, wie er seine auf „Gesetz und Ordnung und Wohlstand“ abzielenden Pläne umsetzen und finanzieren will, fällt die Beantwortung nicht leicht. Ein Versuch:

Faktencheck: Trump versprach „nichts als die Wahrheit“. „Sorgfältig konstruierte Lügen“ seien Sache der Demokraten. Die Faktenüberprüfer vieler US-Medien kamen zu einem anderen Urteil. Was Trump über steigende Kriminalitäts- und Mordraten, sinkende Lebensstandards, Staatsschulden, Rassenspannungen, zerfallende Infrastruktur und die Ursachen außenpolitischer Konflikte sagte, stimme mit der Wirklichkeit nicht oder nur selten überein. „Zahlen sind aus dem Kontext gerissen, Daten wurden manipuliert und manchmal waren die Fakten falsch“, schrieb die „Washington Post“. Das Hauptstadtblatt warf dem Unternehmer vor, „öffentlich Angst zu schüren, um diese dann auszubeuten“.

Internationale Beziehungen: In der Nato will Trump Amerikas Führungsrolle nur aufrechterhalten, wenn die übrigen 27 Mitgliedstaaten mehr zahlen. Die Beistandsverpflichtungen stellt er unter diesen Vorbehalt. Den Atom-Deal mit dem Iran will Trump aufkündigen. Als einzigen „Partner“ erwähnte er Israel. Von Europa war nicht einmal die Rede. China kam nur als Währungsbetrüger vor.

Einwanderung: Der Grenzwall zu Mexiko würde unter einem Präsidenten Trump kommen. Er soll „Armutsflüchtlinge, Terroristen und Drogenbanden“ abhalten. Wer aus Ländern mit Terrorhintergrund kommt, für den bleiben die USA Sperrgebiet.

Sicherheit: Trump will „Recht und Gesetz wiederherstellen“; dabei sinken die Kriminalitätsraten seit Jahren. Nach innen, indem illegal in den USA lebende Gewalttäter abgeschoben oder ins Gefängnis gesteckt werden und Gewalt gegen Polizisten rigoros bestraft wird. Nach außen, indem das „ausgelaugte“ Militär gestärkt und der „barbarische“ Islamische Staat, vernichtet wird. Dazu werden die Geheimdienste zur „weltbesten Operation“ ausgebaut. Einmischung in wacklige Staaten, sprich die Strategie von „Regimewechseln“ und anschließendem „Nationenaufbau“, wird es unter Trump nicht mehr geben. Lösungsvorschläge zur Eindämmung der Waffengewalt in den USA machte Trump nicht.

Wirtschaft: Trump will Industrien, die in Billiglohnländer abgewandert sind, zurückholen. Obwohl er und seine Familie gerade dort ausgiebig Konsumgüter unter dem Label Trump produzieren lassen. Stahl und Bergbau sollen revitalisiert werden. Dass Weltmarktpreise und Klimaschutzverträge dem entgegenstehen, blieb unerwähnt. Generell verspricht Trump höhere Löhne, niedrigere Steuern und den radikalen Abbau der Staatsschulden. Wie? Offen.

Handel: Abkommen wie das nordamerikanische Nafta oder das geplante TPP mit Südostasien wird es mit Trump nicht geben. Er macht sie für Arbeitsplatzabbau und sozialen Niedergang in den USA verantwortlich. Trump will nur noch Einzelverträge abschließen, die ein Kriterium erfüllen: „Amerika kommt zuerst.“ TTIP, das US-EU-Projekt, ist demnach mausetot.

Bürokratie: Durch das Streichen bundesstaatlicher Vorschriften, die dem Land im Jahr angeblich drei Billionen Dollar entziehen, soll neue Wirtschaftskraft entfesselt werden. Das Geld, das dadurch hereinkomme, werde der maroden Infrastruktur zugutekommen: Straßen, Tunneln, Brücken und Flughäfen. Wie gehabt: keine Kostenschätzungen.

Politischer Gegner: Trump weist der Demokratin Hillary Clinton die Verantwortung für sämtliche außenpolitischen Brandherde von Syrien über den Irak bis Libyen zu. Ihr Vermächtnis sei „Tod, Zerstörung, Terrorismus und Schwäche“. Die E-Mail-Affäre der früheren Außenministerin sei der Beweis dafür, wie korrupt und unfähig die 68-Jährige sei. Den lautstarken Forderungen der Delegierten – „Sperrt sie ein!“ – schloss sich Trump anders als zuvor nicht an.

Die Republikaner: Nach Cleveland zeigt sich eine tief zerrissene Partei, die sich unter Qualen hinter Trump versammelt hat. Die Brüche zwischen Konservativen alten Schlages und den Kompromisslosigkeit propagierenden Anhängern von Donald Trump konnten nicht geschient werden. „Wogegen wir sind, weiß ich jetzt“, sagte stellvertretend für viele ein Delegierter aus Virginia dieser Zeitung, „wofür und wie wir das mit den Demokraten im Kongress hinkriegen sollen, weiß ich allerdings nicht.“

Fazit: Trumps Krönungsmesse war nach überwiegender Meinung der US-Medien ein Fiasko, in dem allein ein Teil seiner Familie (Sohn Donald Jr. und Tochter Ivanka) durch beeindruckende Beiträge positiv auffielen. Ansonsten galt das Urteil: schlecht organisiert, langatmig, geprägt von Pannen wie der Plagiatsrede seiner Gattin (geklaut bei Michelle Obama) oder der Minirevolte seines Rivalen Ted Cruz. Dutzende Parteipromis (der gesamte Bush-Clan, frühere Präsidentschaftskandidaten wie Mitt Romney etc.) blieben der Veranstaltung fern. Das Gros der 60 Redner hatte nur ein Thema: Hillary Clinton verhindern. Koste es, was es wolle.

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