UN-Experten prangern Chemiewaffen-Einsatz in Syrien an

Genf/Paris · Im syrischen Bürgerkrieg ist nach französischen Erkenntnissen auch der hoch giftige Kampfstoff Sarin eingesetzt worden.

 Ein Panzer der syrischen Armee nahe der Kleinstadt Tal Sakka: Eine UN-Expertengruppe hat Hinweise auf kleinere Einsätze von Chemiewaffen in Syrien. Foto: epa/SANA

Ein Panzer der syrischen Armee nahe der Kleinstadt Tal Sakka: Eine UN-Expertengruppe hat Hinweise auf kleinere Einsätze von Chemiewaffen in Syrien. Foto: epa/SANA

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Das Nervengas sei bei Tests von Proben in französischen Labors nachgewiesen worden, teilte Außenminister Laurent Fabius am Dienstag in Paris mit. Nach Erkenntnissen von UN-Ermittlern wurden wahrscheinlich mindestens viermal chemische Waffen eingesetzt. Es gebe "hinreichende Gründe", dies zu glauben, erklärte die vom UN-Menschenrechtsrat berufene Syrien-Kommission am Dienstag in ihrem jüngsten Lagebericht für den UN-Menschenrechtsrat in Genf.

Der Einsatz von Chemiewaffen ist laut internationalen Abkommen ein unter Strafe stehendes Kriegsverbrechen. Die UN-Kommission schränkte jedoch ein: "Es war auf der Basis des vorliegenden Beweismaterials nicht möglich, die konkrete chemische Substanz, das Abschuss-System oder Täter festzustellen." Der Verdacht richte sich aber vor allem gegen Regierungstruppen.

Die US-Regierung reagierte zurückhaltend. Es müssten weitere Beweise gesammelt werden, wer für den wahrscheinlichen Gebrauch von Chemiewaffen verantwortlich und unter welchen Umständen dies erfolgt sei, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, in Washington. "Wir verlassen uns nicht auf die UN allein." US-Präsident Barack Obama hatte den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bereits vor Monaten gewarnt, dass mit dem Einsatz von Chemiewaffen eine "rote Linie" überschritten werde.

Die meisten Hinweise auf den Einsatz von Chemiewaffen beträfen das Vorgehen von Regierungstruppen, heißt es im jüngsten Lagebericht der UN-Expertengruppe unter Leitung des brasilianischen Diplomaten Paulo Pinheiro. Man könne zwar nicht ausschließen, dass inzwischen auch Rebellen Zugang zu Chemiewaffen hätten, darunter Nervengas. Es gebe aber keine "zwingenden Beweise", dass diese Gruppen darüber sowie über die erforderlichen Abschuss-Systeme verfügten.

Die Ermittler, die nicht nach Syrien einreisen durften, stützen sich maßgeblich auf Zeugenbefragungen im oder vom Ausland aus. Den Angaben zufolge sollen bei vier Angriffen in den Provinzen Aleppo, Idlib und Damaskus am 19. März sowie am 13. und 19. April "in eingeschränktem Maße giftige Chemikalien" benutzt worden sein. Weitere Untersuchungen in Syrien seien erforderlich.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht davon aus, dass auch mindestens 147 Menschen hingerichtet worden sind. Deren Leichname seien zwischen Januar und März in einem Fluss in Aleppo entdeckt worden. Dies sei offensichtlich in von Regierungstruppen kontrollierten Gebieten geschehen. Der Syrienkonflikt hat seit seinem Beginn im März 2011 laut UN mindestens 80 000 Menschen das Leben gekostet.

Russland erklärte derweil nach internationaler Kritik, noch keine S-300-Flugabwehrsysteme an Syrien geliefert zu haben. Präsident Wladimir Putin sagte beim EU-Russland-Gipfel in Jekaterinburg, der Vertrag sei zwar vor mehreren Jahren geschlossen worden, aber "noch nicht realisiert". Der Kremlchef betonte, Moskau verletze damit nicht das internationale Recht, da es kein Waffenembargo gegen Syrien gebe. Israel befürchtet, dass hochmoderne Kampftechnik über Syrien zur Hisbollah gelangt.

Experten der Europäischen Union berieten in Brüssel über die Einstufung des militärischen Arms der libanesischen Hisbollah-Miliz als terroristische Vereinigung. Das Treffen wurde aus EU-Kreisen bestätigt. Die Schiiten kämpfen im Bürgerkrieg vor allem nahe der Kleinstadt Al-Kusair im Grenzgebiet an der Seite des Regimes.

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