Koalitionsverhandlungen Union und SPD erreichen Konsens in Detailfragen

BERLIN · Die Nerven liegen bei den Beteiligten blank. Seit zwei Wochen laufen nun die Koalitionsverhandlungen zu einer Regierung aus CDU, CSU und SPD. Für die Beteiligten bedeutet dies drei- bis vier Anreisen nach Berlin. Und das wöchentlich. Da kommt schon bei kleinen Anlässen oft lang angestauter Ärger zum Ausbruch.

 An einem langen Tisch: Die Verhändler beider Seiten arbeiten sich durch die Konfliktfelder.

An einem langen Tisch: Die Verhändler beider Seiten arbeiten sich durch die Konfliktfelder.

Foto: dpa

Da ist die Geschichte von der Maut-Überwachung als Instrument der Terror-Bekämpfung, an die bis vor Kurzem kaum jemand gedacht hätte. Jetzt ist alles anders: Sorgfältig lanciert wird beispielsweise die Geschichte über das Telefonat des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer mit Innenminister Hans-Peter Friedrich.

Der CSU-Parteifreund hatte die angebliche Gunst der Stunde für den Vorschlag genutzt, Mautdaten deutscher Autofahrer zur Verbrechensbekämpfung speichern zu wollen. Ein erboster Seehofer soll ihn am Telefon derart angebrüllt haben, dass der Innenminister sofort eine politische Vollbremsung vornahm.

Die Maut-Ideen seien nur "Gedankenspiele" gewesen, berichtete ein Sprecher seines Ministeriums. Selbstverständlich werde nicht an einer solchen Daten-Vollerhebung gebastelt, die auch irgendwie nicht in die Zeit der transatlantischen NSA-Spionageaffäre passt.

Das ist nicht der einzige bekannte Zornesausbruch in der Riege der Unions-Spitzenpolitiker. Für ihre Verhältnisse spitz wurde die CDU-Vorsitzende Angela Merkel gestern früh bei Sitzungen der politischen Spitze mit jenen CDU- und CSU-Abgeordneten, die Arbeitsgruppen leiten.

Sie habe die Kritik aus der Unions-Fraktionssitzung sehr wohl nachvollziehen können, so ihre Umgebung. Am Mittwochabend hatten sich mehrere Abgeordnete auf der Fraktionssitzung massiv darüber beschwert, dass in den bisherigen Sitzungsergebnissen die Handschrift der Union nicht zu erkennen sei. Aber wichtiger sei ihr noch, dass die Parteien nicht genügend auf die finanziellen Konsequenzen ihrer Beschlüsse achtgegeben hätten.

Ein Beispiel: Allein die Arbeitsgruppe Wirtschaft habe für den Internet-Ausbau und Steuerrabatte für Forschung 15 Milliarden Euro veranschlagt. Man müsse Prioritäten setzen, so Merkel. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sie keine Debatte über Steuererhöhungen zur Finanzierung von Wahlversprechen führen will. Die Union will die Verantwortung für die teuren Projekte der SPD zuschieben.

Um Abgabenanhebungen und Bürgerbelastung geht es auch bei einer anderen Auseinandersetzung: Die Maut für Pkw, ein Lieblingskind Seehofers und der CSU. Gestern Nachmittag traf man sich erstmals in der zuständigen Arbeitsgruppe im Bundesverkehrsministerium.

Der ADAC hatte, passend zu der ersten Verhandlungsrunde, ausgerechnet, dass eine Maut nur für Ausländer 262 Millionen Euro in die Kassen spülen würde. Für deutsche Pkw-Halter müssten bis zu 2,8 Milliarden veranschlagt werden. Merkel steht insoweit im Wort, dass es "mit mir" keine Mehrbelastung deutscher Autofahrer geben werde. Als Kompromiss schält sich heraus, dass für den Maut-Fall eine Absenkung der Kfz-Steuer möglicherweise mit einer ökologischen Komponente verbunden wird.

Um einen anderen Punkt wird erbarmungslos gestritten: Bleibt es bei dem Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kindertagesstätte schicken, sondern zu Hause erziehen wollen? Die Union will nicht daran rütteln lassen, obwohl auffällig ist, dass die familienpolitischen Experten der CDU nicht gerade mit Herzblut die bestehende Lösung verteidigen.

Die meisten Konflikte gelten aber als bewältigbar. Die doppelte Staatsbürgerschaft zählt nicht dazu. Hier zeigt sich die CSU zwar unerbittlich. Innenminister Friedrich: "Wir sind weit auseinander." SPD-Unterhändler Thomas Oppermann: "Da geht offenbar gar nichts."

In der kommenden Woche steht ein Termine außerhalb Berlins im Vordergrund: Der SPD-Bundesparteitag in Leipzig, der vom 14. bis zum 16. November stattfindet. Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktionschef, meint nüchtern: "Es gibt keine Abmachung, dass wir vor dem SPD-Parteitag nicht unsere Positionen vertreten" können.

Bislang weitgehend ausgeklammert hat man das Problemfeld flächendeckender Mindestlohn - ein Punkt, von dem die SPD ihre Zustimmung zum Zustandekommen des Bündnisses abhängig gemacht hat. Die Experten in den Fraktionen sehen aber in dieser Frage keinen unüberbrückbaren Gegensatz. Man werde, so Unionsfraktionskreise gestern, in der kommenden Woche der SPD ein "attraktives Angebot" machen.

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