Koalitionsgespräche Union und SPD setzen in großer Runde ihre Gespräche fort

BERLIN · Über allem, was die Unterhändler von CDU, CSU und SPD vereinbaren, steht der Finanzierungsvorbehalt. Doch über Geld wird erst ganz am Ende gesprochen. Gabriel: "Das ist doch immer so. Geld macht sinnlich."

Horst Seehofer muss warten. Und das an diesem Morgen gleich zwei Mal. Einmal auf die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die den CSU-Chef zur verabredeten Vorbesprechung der beiden Unionsparteien vor der dritten Koalitionsrunde mit der SPD eine Viertelstunde im Freien stehen lässt. Um 9.15 Uhr kommt Merkel dann endlich die Behrenstraße zum Eingang der bayerischen Landesvertretung herunter gelaufen. Eine gute halbe Stunde später lässt SPD-Chef Sigmar Gabriel den bayerischen Ministerpräsidenten warten, wenn auch nur für zwei Minuten. Gabriel stoppt noch schnell bei einer Handvoll Demonstranten der entwicklungspolitischen Kampagnenorganistion "One", die den SPD-Vorsitzenden an ein Versprechen aus dem SPD-Regierungsprogramm erinnern: eine Milliarde Euro zusätzlich für die Entwicklungszusammenarbeit - und zwar jährlich.

Dann nimmt Seehofer den SPD-Chef frotzelnd in Empfang: "Ich hol? mir hier die Grippe..." Gabriel darf gleich noch wissen, dass der CSU-Chef die SPD-Delegation in der Tischordnung "oben links" platziert, unter einer Büste von CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Nun gut, Humor habe er ja, der Kollege Seehofer, sagt Gabriel. Ab wann er sich mit Gabriel wie 2009 nach Abschluss des Koalitionsvertrages mit Guido Westerwelle (FDP) duzen würde? Seehofer: "Das ist alles ergebnisorientiert."

Über allem, was die Unterhändler von CDU, CSU und SPD vereinbaren, steht der Finanzierungsvorbehalt. Doch über Geld wird erst ganz am Ende gesprochen. Gabriel: "Das ist doch immer so. Geld macht sinnlich." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt macht das Grundprinzip dieser Verhandlungsrunden deutlich: "Nichts ist verhandelt, bevor nicht alles verhandelt ist." Dies gelte insbesondere für Dinge, die mit Finanzen zu tun hätten.

Unter dem Vorbehalt, dass Geld dafür da sei, stehen beispielsweise Punkte, auf die sich Peter Ramsauer (CSU) und Florian Pronold (SPD) in der Arbeitsgruppe Verkehr und Bauen geeinigt haben: eine Mietpreisbremse bei Wiedervermietung sowie eine Mietpreiskappungsgrenze für Bestandsmieten. Zudem soll der Makler künftig vom Auftraggeber, in der Regel also vom Vermieter, bezahlt werden. Außerdem soll es für Geringverdiener wieder einen Heizkostenzuschuss geben. Dem Wohnungsmangel in Deutschland will Schwarz-Rot mit der Fertigstellung von jährlich 250 000 Wohnungen begegnen.

Für Familien und Eltern soll es nach den Worten von SPD-Vize Manuela Schwesig künftig einen Rechtsanspruch auf eine befristete Teilzeit geben. Eltern sollen selbst entscheiden, wann sie Auszeiten für Kinderbetreuung oder für die Pflege von Angehörigen nehmen wollen, so die Einigung in der Arbeitsgruppe Familie und Frauen. Außerdem sollen die 36 Monate Elternzeit flexibler gestaltet werden können. Dazu sollen "auch ohne die Zustimmung des Arbeitgebers nach angemessener voriger Anmeldung zukünftig 24 statt zwölf Monate zwischen dem 3. und dem 14. Lebensjahr des Kindes (bisher 8. Lebensjahr) ... genommen werden können". In der Arbeitsgruppe Umwelt und Landwirtschaft einigen sich Union und SPD auf einen konsequenten Ausbau des Hochwasserschutzes.

Doch wie wenig eine Einigung in den Arbeitsgruppen gleich auch eine Einigung im Ganzen bedeutet, macht der Ausbau des schnellen Internets bis 2018 in ganz Deutschland deutlich. Bis zu einer Milliarde Euro jährlich würde der Bund dafür ausgeben, hieß es aus der Arbeitsgruppe. Doch jetzt müssen die Unterhändler nacharbeiten. CSU-Chef Seehofer lässt wissen, die Zeit der "Wünsch-Dir-Was-Papiere" müsse vorbei sein. Zwar sind sich Union und SPD grundsätzlich über den Ausbau des schnellen Breitbands einig. Aber CSU-Generalsekretär Dobrindt macht nach der großen Runde der 75 deutlich, vor dem Geldausgeben müssten auch Wege für mehr Wettbewerb beim Ausbau dieser Datennetze gesucht werden.

Finanzrelevante Fragen kämen alle auf eine separate "F-Liste". Für "F" wie Finanzen. Am Schluss würde darüber "in einer Summe" verhandelt. CDU-Vize Armin Laschet beschleicht nach der gestrigen großen Runde ein unbestimmtes Gefühl: "Nix steht." Die rheinland-pfälzische CDU-Landechefin Julia Klöckner will dennoch an ein gutes Ergebnis glauben: "Alles gut. Wir sind Freunde."

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