Regierungsbildung Union und SPD steuern auf große Koalition zu

Berlin · Deutschland steuert auf eine Neuauflage der großen Koalition aus Union und SPD zu. "Wir glauben, dass wir gemeinsam eine Basis finden können", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel nach der dritten schwarz-roten Sondierungsrunde.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Weg zu einem Treffen mit Vertretern der SPD. Foto: Wolfgang Kumm

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Weg zu einem Treffen mit Vertretern der SPD. Foto: Wolfgang Kumm

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Die SPD-Seite habe einstimmig dafür votiert, ihrem Parteikonvent am Sonntag Verhandlungen über eine Koalition mit CDU und CSU vorzuschlagen. Wenn das Gremium zustimmt, wollen Union und SPD am Mittwoch offiziell die Beratungen über eine gemeinsame Regierung aufnehmen.

Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nannte die Gespräche mit der SPD in einer Telefonschaltkonferenz des CDU-Präsidiums nach Parteiangaben "fair und intensiv". Zentrales Anliegen einer künftigen Regierung müsse es sein, Beschäftigung zu sichern.

Konkrete Absprachen etwa bei dem für die skeptische SPD-Basis wichtigen Thema Mindestlöhne gibt es bisher nicht. Nachdem aber auch die einer großen Koalition kritisch gegenüberstehende nordrhein-westfälische SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Verhandlungen mitträgt, ist die Wahrscheinlichkeit größer geworden, dass der Konvent der Sozialdemokraten grünes Licht gibt. Zuletzt hatten Union und SPD von 2005 bis 2009 gemeinsam regiert.

Ein Gespräch von Merkel, Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer unter sechs Augen dürfte den Weg für die Koalitionsempfehlung geebnet haben. Nach dpa-Informationen hatten sich die drei zu Beginn der Sondierungsrunde zu einer längeren Unterredung zurückgezogen. Dem Vernehmen nach ging es dabei vor allem darum, sich persönlich Verlässlichkeit zuzusichern.

Merkel und Seehofer signalisierten demnach Bewegung beim Mindestlohn mit der für die SPD wichtigen 8,50-Euro-Marke und beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft. Gabriel habe Verständnis für das Unionstabu bei Steuererhöhungen gezeigt und erkennen lassen, dass er die Schwierigkeiten der Union bei der Gleichstellung von Homosexuellen sehe.

Gabriel zeigte sich optimistisch, dass sich Union und SPD einigen können. "Wir glauben, dass wir eine gemeinsame Basis mit der Union finden können, um Koalitionsverhandlungen auch zu einem erfolgreichen Ende zu bringen", sagte er vor Journalisten. Das gelte insbesondere für den gesetzlichen Mindestlohn. "Die Union weiß, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eine zentrale Aufgabe ist, ohne die eine Koalition aus Sicht der SPD keinen Sinn machen würde." Auch beim Thema Zuwanderung könne es "eine vernünftige Lösung" geben.

Auch Seehofer sagte mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass das am Ende einen guten Ausgang nehmen wird." Über den Koalitionsvertrag solle in den Zentralen von CDU und SPD sowie in der bayerischen Landesvertretung in Berlin verhandelt werden.

Bayerns Ministerpräsident Seehofer hatte mit Kompromisssignalen im Mindestlohnstreit und im Ausländerrecht versucht, der skeptischen SPD Verhandlungen schmackhaft zu machen. Der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag) sagte er zum Mindestlohn, keine Seite könne es der Bevölkerung erklären, "wenn man sich da nicht zusammenrauft". Er formulierte aber Einschränkungen und brachte als Gegenleistung einen SPD-Verzicht auf Steuererhöhungen ins Spiel.

Die SPD verlangt einen gesetzlich geregelten und flächendeckenden Mindestlohn - die Union will die Tarifpartner entscheiden lassen. Die 8,50-Euro-Marke spielt für ein Ja des SPD-Konvents zu Koalitionsverhandlungen eine große Rolle.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, es gebe das gemeinsame "Ziel einer vernünftigen Mindestlohnregelung." Ein Ergebnis sei aber weder vorab festgelegt noch einander mitgeteilt worden. Mit der SPD habe man ein "hinreichendes Maß an Gemeinsamkeit erarbeiten können", um das Land vier Jahre zu regieren.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warnte, Mindestlöhne dürften keine Arbeitsplätze gefährden. Das Treffen mit der SPD sei von Vertrauen geprägt gewesen. In den nächsten vier Jahren stünden Wachstum, Finanzstabilität und Beschäftigung im Mittelpunkt. "Wir haben den Eindruck, dass man bei diesen Megathemen gemeinsame Lösungen in einem Koalitionsvertrag finden kann." Sein Zwist mit NRW-Regierungschefin Kraft bei der zweiten Runde sei ausgeräumt.

Über den Zeitplan für Koalitionsverhandlungen sagte Gröhe: "Die Absicht ist, zügig Verhandlungen zu führen, aber auch gründlich." Der noch amtierende Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte: "Bis Weihnachten haben wir eine neue Regierung." Nach Angaben von Dobrindt werden Union und SPD in zwölf Arbeitsgruppen verhandeln. Zudem gibt es eine Steuerungsgruppe der Generalsekretäre, eine große Runde sowie ein kleines Gremium der Parteispitzen und ihrer Chefunterhändler.

Am Dienstag kommt der neue Bundestag zur konstituierenden Sitzung zusammen. Am Nachmittag desselben Tages überreicht Bundespräsident Joachim Gauck den Mitgliedern des bisherigen schwarz-gelben Kabinetts die Entlassungsurkunden. Von diesem Zeitpunkt an ist die CDU/CSU/FDP-Regierung Merkels nur noch geschäftsführend im Amt.

Linke-Chef Bernd Riexinger kündigte einen harten Oppositionskurs an: "Wir werden im Bundestag die soziale Alarmanlage sein." Die Grünen-Spitze will sich auf einem Parteitag am Wochenende eine Hintertür für neue schwarz-grüne Gespräche offenlassen. Falls keine große Koalition zustande kommt, könnten Union und Grüne demnach erneut miteinander reden. Dies dürfte nur der Fall sein, wenn der bei der SPD abschließend notwendige Mitgliederentscheid über einen schwarz-roten Koalitionsvertrag scheitert.

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