Kraulen im Burkini Urteil: Muslimin muss am Schwimmunterricht teilnehmen
LEIPZIG/BONN · Die 13-jährige Asmae steht im Saal 3 des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. "Ich habe meine Freiheit. Ich habe meine Religionsfreiheit. Ich werde nicht am Schwimmunterricht teilnehmen", sagt Asmae nach der mündlichen Verhandlung. Da aber zeichnet sich schon ab, dass die Richter das anders sehen. Kurz darauf entscheidet der 6. Senat: Muslimischen Schülerinnen kann die Teilnahme am Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen zugemutet werden. Das Tragen eines Burkinis, eines islamgerechten Ganzkörperbadeanzugs, sei als Kompromiss akzeptabel.
Damit scheitert die 13-jährige marokkanischer Abstammung damit, eine Befreiung vom gemeinsamen Schwimmunterricht aus religiösen Gründen durchzusetzen. Das hatte sie im Schuljahr 2011/12 beantragt. Der Fall hat für Aufsehen gesorgt, weil er das Grundrecht auf Religionsfreiheit und den verfassungsrechtlich verankerten Erziehungsauftrag des Staates gleichermaßen berührt. Überwiegt eines der beiden Grundrechte - oder kann es eine ausgleichende Lösung geben? Vor dieser Frage standen die Bundesverwaltungsrichter. Der Vorsitzende Richter Werner Neumann stellt mehrfach klar: Eine Befreiung vom Unterricht aus religiösen Gründen könne es nur in absoluten Ausnahmefällen geben. Anders sei das in der heutigen pluralistischen Gesellschaft gar nicht möglich. "Eine Gestaltung des Unterrichts, die jeder Glaubensvorstellung Rechnung trägt, ist nicht praktikabel", sagt Neumann.
Aber ist die gläubige 13-Jährige ein solcher Ausnahmefall? Ihr Anwalt Klaus J. Meissner betont, sie habe ihre Bekleidungsvorschriften. In einem herkömmlichen Badeanzug könne sie nicht ins Bad gehen. Auch dem Anblick leichtbekleideter Mitschüler dürfe sie sich nicht aussetzen. Und: "Den Weg, einen Burkini zu tragen, der stigmatisiert sie, der führt zu ihrer Ausgrenzung." Dabei wolle sich ihre Familie doch integrieren.
Das beklagte Land Hessen hält dagegen: Die Helene-Lange-Schule in Frankfurt, die die 13-Jährige besucht, habe einen sehr hohen Ausländeranteil. "Dort sind Schülerinnen, die im Burkini am Schwimmunterricht teilnehmen, gerade keine Ausnahme", sagt ein Prozessvertreter. "Von einer Ausgrenzung kann nicht ernsthaft die Rede sein." Zudem sei der Burkini in der muslimischen Welt erfunden wurden - als islamgerechte Verhüllung für Schwimmerinnen.
Auch in der Region kommt es laut Jörg Nohl immer wieder zu Konflikten zwischen religiösem Gewissen und Lehrplan. "Hier kollidieren zwei Grundrechte miteinander: das Religionsrecht und das Recht auf Bildung", so der Abteilungsleiter Schulaufsicht im Amt für Schule und Bildungskoordination im Rhein-Sieg-Kreis. Demnach mussten im Kreis Eltern in Einzelfällen auch zur Zahlung eines Bußgeldes aufgefordert werden, weil sie ihre Kinder nicht am Schwimmunterricht teilnehmen lassen wollten. Die Schulen hätten sich aber gut auf diese Problematik eingestellt und würden viel Aufklärung betrieben. "Einen Burkini sehen viele muslimische Eltern als zumutbar an, haben aber gleichzeitig das Problem, dass ihre Tochter dann einen Jungen in Badehose sehen muss." Das sehe man jedoch als zumutbar an.
Die Bonner Integrationsbeauftragte Coletta Manemann sagte: "Es ist zwar richtig, dass muslimische Mädchen am Schwimmunterricht teilnehmen sollen. Aber genauso wichtig ist es, sie nicht zwischen Elternhaus und staatlicher Institution zu zerreißen. Eine solche Konfrontation hat letztlich gravierendere Folgen als gute und machbare Lösungen, die es an vielen Schulen gibt."