US-Präsidentschaft: Der knappste Vorsprung aller Zeiten

WASHINGTON · "Wir werden das Weiße Haus verändern und Amerika wieder auf die Beine stellen", sagt Mitt Romney. Nach der langen Nacht von Iowa stehen die Republikaner in Amerika - acht Stimmen Unterschied zwischen Romney und Rick Santorum - vor einem historisch knappen Ergebnis.

 Mitt Romney mit seiner Frau Ann nach dem Gewinn der ersten Vorwahl bei den Republikanern.

Mitt Romney mit seiner Frau Ann nach dem Gewinn der ersten Vorwahl bei den Republikanern.

Foto: dpa

Und einem Berg von Fragen. Belastbarere Antworten werden erst die nächsten Vorwahl-Stationen bis Ende Januar in New Hampshire, South Carolina und Florida bringen.

Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass ein Grundkonflikt den offiziell bis zum Sommer andauernden Auswahlprozess um den Gegenkandidaten für Präsident Barack Obama prägen wird: Setzt sich ein Kandidat durch, der über die konservative Wählerklientel hinaus ausreichend Strahlkraft gegen den Amtsinhaber entwickeln kann? Oder obsiegt ein Vertreter, der vor allem das Herz der zwischen Vernunft und Heilslehren pendelnden "Grand Old Party" wärmt, damit aber unabhängige und liberale Amerikaner abschreckt?

Mitt Romney, der im bäuerlich und evangelikal geprägten Iowa wie schon 2008 nicht über 25 Prozent der Stimmen hinaus kam, werden als konstant einzigem Kandidaten seit Monaten die Fähigkeit nachgesagt, den Demokraten das Weiße Haus im November entreißen zu können.

Für den ehemaligen Finanz-Manager spricht eine prall gefüllte Wahlkampfkasse, eine ausgeklügelte Organisation in allen Bundesstaaten und ein vergleichsweise fehlerfreies Auftreten in dem seit Sommer laufenden internen Vorwahlkampf. Ein Sieg Romneys, der im Prinzip nur mit der Botschaft "Und-im-übrigen-bin-ich-dafür-dass-Obama-weg-muss" hantiert, nächste Woche bei der Vorwahl in New Hampshire scheint den Umfragen nach programmiert.

Allein, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts erreicht weder Bauch noch Herz der Partei und ihrer Anhänger. Er wirkt selbst im Moment des Erfolges hölzern, glatt und gilt als jederzeit bereit, einmal aufgestellte Positionen zu räumen, wenn es den opportun erscheint. Bestes Beispiel: Romney hat in Massachusetts im kleinen Maßstab die Blaupause für jene Reform der Krankenversicherung entwickeln lassen, die er heute Präsident Obama im nationalen Maßstab jeden Tag um die Ohren haut. "Flip-Flopper" nennen die Amerikaner so einen - zu deutsch: Wendehals.

Rick Santorum, 53, Vater von sieben Kindern, Sohn eines italienischen Einwanderers, der in Italien gegen Mussolinis Faschismus gekämpft hat, bevor er in den Kohlenrevieren von Pennsylvania sein Glück suchte, ist in Person und Gestus der absolute Gegenentwurf.

Der frühere Senator von Pennsylvania, der noch vor vier Wochen völlig abgemeldet schien, hat es in Iowa am besten verstanden, in Hunderten Wahlkampfauftritten Nähe herzustellen zwischen sich und dem Wahlvolk. Santorum kämpft gegen Homosexuelle und Abtreibung, steht für Waffenbesitz, starke Familienbande und Israel ein und will den nach der Atombombe greifenden Iran im Zweifel bombardieren lassen. Darüber hinaus legt er Amerikas Schicksal am liebsten jeden Tag in Gottes Hand. Sein missionarisch vorgetragener Sozialkonservatismus hat in Iowa deutlich stärker verfangen als das Angebot ähnlich temperierter Geister wie Rick Perry oder Michele Bachmann, die bereits aus dem Rennen um die Kandidatur ausgestiegen ist. Santorums Wertegerüst löst bei vielen Wählern und Sympathisanten der Republikaner tief empfundene Zustimmung, ja Beglückung aus. Gleichwohl kann ihm das Schicksal von Mike Huckabee drohen, der 2008 Iowa gewann. Später verschwand der Baptisten-Prediger aus Arkansas in der Versenkung. Santorum kann bisher weder auf starke Unterstütztertruppen noch Geldgeber setzen. Auch ist noch zweifelhaft, ob sein politisches Gepäck ausreicht, um Bundesstaaten zu begeistern, die mehr wirtschaftliche denn religiös oder weltanschaulich grundierte Probleme beschäftigen.

Santorum weiß um diese Lücke. In Iowa denunzierte er Mitt Romney als einen Karriere-Geschäftsmann, der nur pauschal erkläre, Amerika wieder in Arbeit zu bringen. Santorum dagegen will dezidiert das abgewanderte produzierende Gewerbe wieder in die Staaten zurückholen; über die Senkung von Unternehmenssteuern. Ob seine Botschaft in Stimmen ummünzbar wird, hängt auch davon ab, welche Auswirkungen die bemerkenswerteste Kampfansage des Wahlabends zeitigen wird: Newt Gingrich, früherer Sprecher des Repräsentantenhauses und im November noch Umfragen-Liebling, hat Mitt Romney nicht weniger als den Krieg erklärt. Der Grund: Finanzstarke Unterstützer Romneys fluteten die Fernsehstationen in Iowa mit für Gingrich vernichtenden Wahlspots. Resultat:: Der professoral auftretende Taktiker stürzte ab und hat kaum noch Chancen auf die Nominierung. Er sinnt auf Rache. Santorum könnte der Nutznießer sein.

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