Verfassungsbeschwerde erfolgreich: Karlsruhe gibt Mollath Recht

Karlsruhe/München · Gustl Mollath hat mit seiner Beschwerde vor dem höchsten deutschen Gericht Erfolg gehabt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verstieß es gegen das Grundgesetz, dass der Nürnberger in den vergangenen zwei Jahren in der Psychiatrie saß.

Das Bundesverfassungsgericht gab damit am Donnerstag einer Beschwerde des 56-Jährigen statt.

Die Karlsruher Richter warfen ihren Kollegen in Bayern vor, ihre Entscheidungen nicht gut genug begründet, sondern sich mit knappen, allgemeinen Aussagen begnügt zu haben. Zehn Tage vor der Landtagswahl nutzte die Opposition in München diese Steilvorlage zu einem erneuten Angriff auf Justizministerin Beate Merk (CSU).

Mollath war 2006 auf gerichtliche Anordnung in die Psychiatrie eingewiesen worden, weil er seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen haben soll. Er selbst sah sich stets als Opfer eines Komplotts seiner Ex-Frau und der Justiz, weil er auf Schwarzgeldgeschäfte bei der HypoVereinsbank hingewiesen habe.

Anfang August wurde er zwar entlassen - dennoch hielt das Verfassungsgericht die nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen für wichtig, "denn diese waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in sein Grundrecht auf Freiheit der Person". Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte angeordnet, dass das Verfahren neu aufgerollt werden muss und Mollath frei kommt.

Mollaths Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg aus dem Jahr 2011, nach denen er weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Nach Ansicht der Karlsruher Richter verletzen diese Mollaths Grundrecht auf Freiheit in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. "Die in den Beschlüssen aufgeführten Gründe genügen nicht, um die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers zu rechtfertigen." Der Fall wurde deshalb zur erneuten Entscheidung ans Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen.

Die Karlsruher Richter bemängelten unter anderem, dass die Gerichte in Bayreuth und Bamberg nicht konkret genug dargelegt hätten, warum von Mollath auch künftig eine Gefahr ausgehe. Auch sei Entlastendes zugunsten Mollaths nicht erkennbar berücksichtigt worden (Az.: 2 BvR 371/12).

"Das ist eine große Watschn für die bayerische Justiz, zumindest für die tätig gewordenen Richter und Staatsanwälte in meiner Sache - und darüber hinaus für den Gutachtenerstatter", sagte Mollath der Nachrichtenagentur dpa. Für ihn gehe die juristische Auseinandersetzung weiter: "Es ist noch nicht einmal die Hälfte vorbei. Es ist jetzt höchstens eine Freiheit der dritten Klasse."

Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack, der Mollath vor dem Verfassungsgericht vertreten hatte, übte scharfe Kritik an Ministerin Merk und der Justiz in Bayern. Die Richter hätten seinen Mandanten mit "unverantwortlicher Leichtfertigkeit" eingewiesen und trotz neuer Erkenntnisse starrsinnig "an ihren Fehlentscheidungen festgehalten". Der Beschluss aus Karlsruhe sei auch eine "Ohrfeige" für Merk. Sie habe zu lange an den unhaltbaren Unterbringungsentscheidungen festgehalten.

Die bayerische Opposition reagierte prompt: Die Entscheidung sei eine "schallende Ohrfeige" für Merk und die CSU, hieß es von der SPD. Grünen-Fraktionschef Martin Runge kritisierte: "Auch kam es in den Verfahren vor bayerischen Gerichten zu krachenden Rechtsfehlern bis hin zur Rechtsbeugung." Die Freien Wähler sprachen von einer Klatsche für die bayerische Justizministerin.

Merk selbst bewertete die Karlsruher Entscheidung hingegen als Beweis für das Funktionieren des Rechtsstaats. "Richter kontrollieren Richter. Auch in diesem Zusammenhang hat man gesehen, dass diese Kontrolle der Gerichte funktioniert." Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will wegen des Falls Mollath nun so schnell wie möglich schärfere Vorschriften für die Zwangsunterbringung in der Psychiatrie. "Das Risiko, zu lange zu Unrecht in der psychiatrischen Unterbringung zu landen, ist zu hoch."

Das OLG Bamberg wies den Vorwurf des fahrlässigen Umgangs mit einem Menschenrecht "mit Nachdruck zurück". Das Verfassungsgericht habe in erster Linie die unzureichenden Begründungen aus dem Jahr 2011 gerügt. Im Juli 2013 habe das OLG das letzte Bayreuther Urteil über die Fortdauer der Unterbringung aufgehoben - mit Hinweis auf veränderte Umstände und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

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