Ukraine-Krise Verfolgen Von der Leyen und Steinmeier rivalisierende Ansätze
BERLIN · Eigentlich sagt der Außenminister immer dasselbe. Seit Wochen. Dass es darauf ankomme, "gerade in der Nato mit kühlem Kopf zu handeln". Und dass man sich "nicht in eine Spirale der Eskalation hineintreiben lassen" dürfe. Aber er sagt auch, dass die Nato zur Solidarität im Bündnis stehe - "ohne Wenn und Aber".
Eigentlich sagt auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen immer dasselbe. Seit Wochen. Dass die Ukraine-Krise zeige, dass die Nato "auch ein politisches Bündnis sei". Aber auch, dass es für Bündnispartner an den Außengrenzen wichtig sei, "dass die Nato Präsenz zeigt".
Das ist so seltsam. Es geht um dieselbe Botschaft. Erstens: Der Konflikt lässt sich nur politisch lösen. Zweitens: Eine Ausweitung auf den Nato-Raum darf es nicht geben. Aber die Wirkung ist so verschieden. Der Außenminister gilt als wandelnder Vermittlungsausschuss. Der Ministerin wird unterstellt, sie rassele mit dem Säbel.
Schon hat sich ein festes Bild etabliert: Kaum vereidigt, hatte von der Leyen die Deutschen auf ein verstärktes militärisches Engagement vorbereitet. "Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind." Streitkräfte seien eben "gelegentlich nötig, um die Lage zu klären".
Der Außenminister sagte nichts anderes. Nur anders. Deutschland sei zu groß, "um die Weltpolitik nur zu kommentieren". Dennoch hat sich der Eindruck festgesetzt, hier stünden zwei rivalisierende Politikansätze nebeneinander - gegeneinander. Scharfmacher gegen Friedensengel.
Stimmt das? Es ist interessant, dass man selbst in der SPD die Ministerin in Schutz nimmt: "Von der Leyen muss nun etwas lernen, was Steinmeier in seiner ersten Amtszeit schon erfahren hat: Auf dieser internationalen Ebene sind Worte Handlungen, und schon Ankündigungen haben Konsequenzen", sagt zum Beispiel SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich.
Also wirklich alles nur Streit um die Wortwahl? Nicht so ganz. Es gibt durchaus Akzente, die Steinmeier und von der Leyen anders setzen. Dass den baltischen Nato-Partnern das Gefühl gegeben werden muss, das Bündnis kümmere sich um die Sorgen der russischen Grenzstaaten, ist auch im Auswärtigen Amt Grundsatz. Aber dass von der Leyens Bemerkung über die militärische Präsenz auch als Antwort auf polnische Forderungen interpretiert werden konnte, die Nato solle schweres Gerät näher an Russlands Grenzen stationieren, das nimmt man übel. Wird die Ministerin da Opfer der Methode von der Leyen? Bislang hatte sie ihren politischen Erfolg damit erreicht, dass sie frühzeitig keck vorpreschte.
Wahrscheinlich ist die Erklärung simpler. Menschlicher. Steinmeier hat es leicht, von der Leyen schwer. Er muss sich nicht im Amt beweisen, sie schon. So einfach. Das Auswärtige Amt hat gelitten unter Guido Westerwelle. Gelitten unter der Konzeptlosigkeit und dem Verlust an Wichtigkeit angesichts der Dominanz der im Kanzleramt entworfenen Europapolitik. Steinmeiers Rückkehr, sein gleich bei der Amtseinführung selbstbewusst vorgetragener Anspruch, nur im Auswärtigen Amt werde deutsche Außenpolitik entworfen, gedacht und umgesetzt, war Balsam für Diplomatenseelen. Von der Leyen fand ein Haus vor, dessen Führung sie nicht mehr trauen wollte. Ihr Amtsantritt war ein Kahlschlag. Zwei Staatssekretäre gingen, dazu der für Rüstung zuständige Abteilungsleiter. Ein Amtsantritt als Kampfansage. Das ist mutig. Von der Leyen hat mitbekommen, wie viel beim Thema Ausrüstung der Bundeswehr schiefläuft. Aber nach den Entlassungen steht sie selbst in vorderster Linie und muss sich beweisen - mitunter lautstark.
Doch genau da ist der Kern des Problems zwischen Steinmeier und von der Leyen: Je mehr und lautstärker sich die Nato oder die Verteidigungsministerin zu Wort melden, desto schmaler wird der Spielraum der Diplomatie. In der Beurteilung der Lage sind sich beide wohl nicht uneins. Aber das Außenamt wünscht sich Zurückhaltung von allen, die militärische Verantwortung tragen. Zurückhaltung jedoch ist von der Leyens Stärke nicht.
Nur wird man beide Politiker am Ende an Ergebnissen messen. Und bislang können beide nicht liefern. Beispiel von der Leyen: Aus ihrer mit Getöse vorgetragenen Ankündigung verstärkter militärischer Einsätze - vor allem in Afrika - wurde bislang die Bereitstellung von zwei Transportmaschinen, einem Sanitätsflugzeug und einigen Stabsoffizieren für den Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik - bei 2000 französischen und 6000 afrikanischen Soldaten.
Und Steinmeier? Kann bislang nicht nachweisen, dass seine Politik des Dialogs und der Deeskalation auf Wladimir Putin Eindruck macht.