Versicherungsbranche: Ärger mit Unisextarifen

BERLIN · Die Versicherungsbranche und ihre Kunden stehen in diesem Jahr vor einer großen Neuerung, deren Folgen noch nicht absehbar sind: Für Verträge, die ab dem 21. Dezember geschlossen werden, müssen die Unternehmen so genannte Unisextarife anbieten.

Die Prämien dürfen dann nicht mehr nach Geschlechtern getrennt berechnet werden, sondern für Männer und Frauen einheitlich. Für manche Neukunden wird das vorteilhaft sein, andere dürften Tariferhöhungen von bis zu 30 Prozent gegenüber herkömmlichen Verträgen erwarten.

Pauschale Tarifsteigerungen in Prozentzahlen anzugeben sei deshalb "irreführend", sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV), dessen Vorsitzender er ist. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte beim unabhängigen Institut Oxara in Brüssel eine Studie in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen von entsprechenden EU-Plänen zu Unisextarifen zu untersuchen. Demnach dürften Männer aus einer privaten Rentenversicherung künftig fünf Prozent weniger Leistung bekommen. Die KfZ-Versicherung könnte sich für junge Frauen um elf Prozent verteuern, die Risikolebensversicherung sogar um mindestens 30 Prozent.

Oxara konnte sich in seiner Studie auf Erfahrungen in einigen EU-Ländern stützen. So gibt es beispielsweise in Deutschland für private Riester-Verträge seit 2006 nur noch Unisextarife. Dadurch erhöhten sich die Rentenbeiträge für Männer deutlich, für Frauen sanken sie aber nur geringfügig. Das heißt, dass es im Durchschnitt für Kunden teurer wurde.

BdV-Chef Kleinlein erklärt, dass dies aber keine Willkür der Unternehmen sei, sondern versicherungsmathematisch begründet. Bei der Tarifkalkulation müsse ein Sicherheitsaufschlag genommen werden, weil die Versicherer nicht wissen könnten, wie sich das Zahlenverhältnis von Männern und Frauen in einer Tarifgruppe entwickeln werde. Bei Frauen ist die Lebenserwartung höher, eine Rente muss dann länger gezahlt werden.

Sehr viel problematischer gestalten sich Unisextarife aber in der privaten Krankenversicherung (PKV). "Da steckt viel Zunder drin", sagt Kleinlein gegenüber dem General-Anzeiger. "Wir befürchten massive Prämiensteigerungen." Immerhin: Das Schwangerschaftsrisiko ist bereits seit einigen Jahren kalkulatorisch auf Männer- und Frauentarife gleichmäßig verteilt worden - relativ unbemerkt von den Kunden. Diese Änderung sah bereits das Antidiskriminierungsgesetz vor. Jetzt müsste dies auch mit Krankheitsrisiken getan werden wie Brustkrebs, wobei dem das Prostatakrebsrisiko von Männern gegenübersteht.

Derzeit streiten die Versicherungen noch, ob auch PKV-Bestandskunden die Unisextarife bekommen sollten. Einige Versicherungsmathematiker plädierten dafür, sagt Kleinlein, weil bestimmte Altkunden in einen attraktiven neuen Tarif wechseln könnten und die Prämien für die verbleibenden Versicherten daraufhin zusätzlich steigen würden. Bei dem PKV-Verband hat man dazu noch keine eigene Position. Die Mitgliedsunternehmen führten Gespräche mit der Finanzaufsichtsbehörde BaFin, heißt es.

Vorgegeben hat die Einführung der Unisextarife der Europäische Gerichtshof im März 2011. Vergangene Woche stellte nun die EU-Kommission die Leitlinien für die Änderung vor. Umgesetzt werden müsste sie wohl in Deutschland in einer Verordnung oder dem Versicherungsvertragsgesetz.

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