Kommentar zum Bericht des Wehrbeauftragten Vertrauen fehlt

Meinung | Berlin · Berlin. Der Wehrbeauftragte des Bundestags sieht die Streitkräfte in den Fängen einer lähmenden Verwaltung und beklagt Unterbesetzung und Überorganisation zugleich. Dass die Bundeswehr ein Problem mit Bürokratie hat, findet auch unser Autor.

 Ein ehemaliger Büro-Eingang eines Bundeswehr-Gebäudes. Foto: dpa

Ein ehemaliger Büro-Eingang eines Bundeswehr-Gebäudes. Foto: dpa

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Preisfrage: Wenn ein Kommodore der Luftwaffe die Verantwortung für 1500 Mitarbeiter und fliegendes Gerät im Wert von drei Milliarden Euro hat, über wie viel Geld darf er dann in eigener Verantwortung verfügen? Fünf Millionen? 50 000 Euro? Oder 250 Euro? Die Empfehlung des Wehrbeauftragten in seinem jüngsten Bericht für den Bundestag lautet auf 50 000. Tatsächlich sind es aber nur 250 Euro. Für ein ganzes Jahr. Und das lässt ahnen, wie weit die Gängelei und die zentrale Kommandowirtschaft innerhalb der Bundeswehr in den Alltag aller Soldaten reicht.

Dabei haben die Väter der Bundeswehr ein neues Prinzip vorangestellt. Die traditionelle Befehlstaktik setzte darauf, dass von ganz oben bis ganz unten alles auf striktem Befehl und Gehorsam beruht und vor Ort kaum Verhaltensspielraum besteht. Dagegen hat sich das Prinzip der Auftragstaktik immer wieder als überlegen erwiesen: Danach erfährt die Truppe das grundlegende Vorgehen und das Ziel, hat aber selbst die Freiheit, unter mehreren möglichen Optionen die jeweils aktuell günstigste selbst zu wählen.

Diese Vorteile sind im Alltag der Bundeswehr von ihrem Bürokratiemonster aufgefressen worden. Die militärische Neigung zu überbordender Planung ist mit den Vorlieben des modernen Managements zur Statusabfrage auf Knopfdruck eine unheilvolle Allianz eingegangen: Selbst für das Einlaufen in einen Hafen ist jetzt ein umfangreicher Fragebogen abzuarbeiten, und Spieße empfinden sich selbst nicht mehr als „Mutter der Kompanie“, sondern als Sklaven der Statistik.

Das ist die Kehrseite einer Entwicklung, die ins Verteidigungsministerium Einzug gehalten hat. Ursula von der Leyen und ihre Berater waren fassungslos, dass ihnen die militärische Führung nicht einmal die aktuelle Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme mitteilen und den Stand der Fortschritte bei der Beschaffung neuer Techniken nennen konnte. Das erste Ergebnis eines Umdenkens waren die peinlichen Zahlen über eine Truppe, deren Panzer nicht fahren, U-Boote nicht tauchen und Flugzeuge nicht fliegen. Das zweite Ergebnis des zentralen Durchgreifens von oben besteht in einer zunehmenden Verbitterung über wachsende Bürokratie.

Das Verteidigungsministerium ist zwar mit der Machete durch den Dschungel der Vorschriften und Paragrafen marschiert. Und es gibt auch ein klares Planungsziel, alle Einheiten bis 2031 mit dem auszustatten, was sie für ihre Aufgaben brauchen. Hinzukommen muss nun aber ganz dringend ein wachsender Vertrauensvorschuss. Von ganz oben bis ganz unten.

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