Bericht aus Jerusalem Vertrauensbildende Maßnahme

JERUSALEM · Gelbe Halbmonde und hellblaue Teddybären geben sich ein Stelldichein auf Mohammeds Schlafanzug. Wäre da nicht der Infusionskatheter auf seinem rechten Handrücken, würde man nicht glauben, dass er gerade erst die Intensivstation nach einer Herzoperation verlassen hat.

 Träumt schon wieder vom Fußballspielen: Herzpatient Mohammed.

Träumt schon wieder vom Fußballspielen: Herzpatient Mohammed.

Foto: Ulla Thiede

Wegen eines angeborenen Herzfehlers konnte der zehnjährige Palästinenser bisher nicht schmerzfrei laufen. Jetzt wünscht er sich nur: "Ich möchte ein normales Kind sein."

Mohammeds Mutter verbringt während der Behandlung ihres Sohnes die Nächte in einem Nebenzimmer, wo auch andere Mütter von kleinen Patienten untergebracht sind. Die 40-jährige Frau aus Kalkilja im Westjordanland hat ihren Sohn in die Obhut des israelischen Hadassah-Krankenhauses in Jerusalem gegeben, weil das palästinensische Gesundheitssystem Herzoperationen nicht anbietet.

"Im Schnitt kostet ein solcher Eingriff 16 000 Euro", erklärt Asaria Rein, Leiter der Kinderkardiologie an der Klinik. "Dafür könnte man in einem Dorf ein ganzes Jahr eine Ambulanz finanzieren." Die palästinensische Autonomiebehörde wolle das Geld deshalb nicht für Herzoperationen aufbringen. Die französische Hilfsorganisation "Un Coeur pour la Paix" (Ein Herz für den Frieden) hat hier eine Lücke entdeckt: Seit 2005 finanziert sie die Behandlung von herzkranken Palästinenserkindern aus dem israelisch besetzten Westjordanland und dem Gaza-Streifen, lässt palästinensische Ärzte fortbilden und hat begonnen, das erste Versorgungsnetz für Herzpatienten im Westjordanland aufzubauen.

Palästinensische Patienten in israelischen Krankenhäusern sind nichts Ungewöhnliches, es gibt viele Wohltätigkeitsorganisationen, die sich um Versorgung und Transport kümmern, was wegen der militärischen Kontrollposten nach Israel nicht einfach ist.

Auch kommen Ärzte aus den USA oder Deutschland für einwöchige Hilfseinsätze ins Land, meistens mit christlichem Hintergrund, die Palästinenser operieren, wie Rein erklärt. An eine komplizierte Herzoperation mit langwieriger Nachsorge würden sie sich aber nicht heranwagen, sagt der Arzt, der in den 60er Jahren als französischer Jude nach Israel eingewandert ist.

Muriel Haim, eine 62-jährige Französin, hat "Un Coeur pour la Paix" gegründet und ist auch die Vorsitzende. "Jede zweite Ehe in der palästinensischen Gesellschaft wird unter engen Verwandten geschlossen. Das erhöht das Risiko angeborener Herzfehler", erklärt Haim, die selbst Ärztin ist. Die Vorsorge bei den Kindern sei wichtig, denn wenn Missbildungen unentdeckt blieben, könnten sie zum Tode führen.

Bis heute sind 560 Kinder mit Herzfehlern aus dem Westjordanland und Gaza in der Hadassah-Klinik operiert worden. Die Kosten für die Operation teilen sich die französische Organisation und die Klinik zur Hälfte, das heißt: Die Ärzte arbeiten umsonst. Und sie operieren in gemischten Teams mit palästinensischen Medizinern, damit diese lernen können. Neben diesem professionellen Ziel gibt es aber auch andere Gründe für die Kooperation: Es soll Vertrauen zwischen Arabern und Juden geschaffen werden.

"Wir haben zu den palästinensischen Ärzten enge Beziehungen, auch wenn wir nicht politisch übereinstimmen", sagt Rein. Bei Hochzeiten oder bei einem Trauerfall nehmen die Kollegen teil. Auch die israelischen und palästinensischen Familien kommen sich am Krankenbett der Kinder näher. Einige Eltern haben inzwischen Gesprächsgruppen gegründet, die sich auf Vermittlung von "Un Coeur pour la Paix" auch zur Grillparty oder für einen Zoobesuch verabreden.

2012 hat die Organisation ein Herzzentrum in Ramallah im Westjordanland finanziert, das sich innerhalb von drei Jahren selbst tragen soll. Der palästinensische Arzt Nael el Lacham untersucht dort jährlich 500 Kinder, von denen etwa jedes Zehnte eine Herzoperation in Hadassah bekommt. El Lacham ist bei Notfällen auch nachts im Einsatz. Einmal gab es einen besonders spektakulären Fall, als eine Frau nach acht Fehlgeburten ein Kind zur Welt brachte, dessen Herz aber zu langsam schlug. "Am Tag nach der Geburt haben wir dem Neugeborenen in Hadassah einen Herzschrittmacher eingesetzt", erzählt Rein. Heute ist das Mädchen fünf Jahre alt und putzmunter.

Auch Mohammed kann schon wieder lächeln. Sein Traum? Er möchte bald Fußball spielen.

Weitere Informationen unter www.uncoeurpourlapaix.org/en/

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