EU-Parlament lehnt Einschränkung der Panoramafreiheit ab Verwertung bleibt legal

BRÜSSEL · Den beiden Architekten Charlotte Frank und Axel Schultes bleibt eine Menge Arbeit erspart. Denn wenn das Europäische Parlament in Straßburg am gestrigen Donnerstag nicht die bestehende Panoramafreiheit verteidigt hätte, wären die beiden Künstler, aus deren Feder der Entwurf für das Bundeskanzleramt in Berlin stammt, wohl bald in Zehntausenden von Urheberrechtsanfragen erstickt.

Ohne ihre Genehmigung wäre zwar das Ablichten der Regierungszentrale künftig möglich gewesen, nicht aber das Hochladen der Aufnahmen beispielsweise auf Facebook. "Das Parlament hat auf die Hunderttausende Menschen gehört, die sich meiner Kritik an diesem absurden Vorstoß angeschlossen haben - mit Erfolg", sagte die Europa-Abgeordnete der Piratenpartei, Julia Reda, nach dem Votum des Straßburger Plenums. Die Einführung eines "Urheberrechtsschutzes extrem" konnte abgewehrt werden.

Zwar wollten die Initiatoren der Änderungsanträge nicht das private Fotografieren bekannter Bauwerke im öffentlichen Raum verbieten, wohl aber die kommerzielle Nutzung der Bilder. Das hätte auch Deutschland betroffen. Hierzulande ist es gesetzlich erlaubt, auch solche bekannten Bauwerke im öffentlichen Raum zu fotografieren, deren Urheber entweder noch lebt oder weniger als 70 Jahren verstorben ist. Erst dann erlöschen Schutzansprüche.

Tatsächlich können Veröffentlichungen solcher Fotos im Internet auch private Fotografen in eine Interessenkollision bringen. So verlangt Facebook, dass ein Nutzer dem Unternehmen umfassende Rechte einräumt, unter anderem das der kommerziellen Verwertung. Sogar ein privater Blog, auf dem Werbeanzeigen geschaltet werden, könnte im Streitfall bereits den Tatbestand der kommerziellen Nutzung erfüllen.

"Das Prinzip der Panoramafreiheit darf nicht eingeschränkt werden", betonte auch die Chefin der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Angelika Niebler. Die Abgeordneten lehnten mit großer Mehrheit diese "Ausuferung des Urheberrechtsschutzes" ab. Ob privates Selfie oder Schnappschuss vor dem Kanzleramt - beides darf weiter ins Netz gestellt werden, ohne sich des Verstoßes gegen das geistige Eigentum verdächtig zu machen. Im Vorfeld hatte sich auch EU-Kommissar Günther Oettinger, der für den digitalen Binnenmarkt zuständig ist, gegen eine Ausweitung des Urheberrechtsschutzes auf private Bilder ausgesprochen.

Damit sind die geltenden Vorschriften zur Panoramafreiheit zwar zunächst gerettet, von einer einheitlichen europäischen Regelung aber ist man weit entfernt. Denn in den 28 Mitgliedsstaaten gibt es bislang völlig unterschiedliche Gesetze, die auch noch durch aktuelle Regelungen ergänzt werden.

So dürfen Touristen zwar den Pariser Eiffel-Turm fotografieren und diese Bilder nutzen. Denn das Wahrzeichen wurde bereits im 19. Jahrhundert erbaut. Die Ansprüche Gustave Eiffels und seiner Nachkommen gelten damit als erloschen. Allerdings beanspruchen die Betreiber die Rechte für die installierte Lichtanlage am Turm.

Durch das Gesetz fließen jährlich drei bis sechs Millionen Euro in die Portemonnaies der Künstler. Die Gebühren machen bis zu 19 Prozent ihres Einkommens aus. Darauf will man in Frankreich auch in Zukunft nicht verzichten. Doch das wissen die wenigsten Touristen. Oettinger wird sich also noch einiges einfallen lassen müssen.

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