Niedersachsen-CDU Viereinhalb Monate vor der Landtagswahl befürchtet die Partei eine Schmutzkampagne

HANNOVER · Wer steckt hinter den Gerüchten, Bettina Wulff habe eine Vergangenheit im Rotlichtmilieu gehabt? Behauptungen des Enthüllungsjournalisten Hans Leyendecker haben am Wochenende die politische Szene in Hannover aufgerüttelt.

Hans Leyendecker, einer der profiliertesten Enthüllungsjournalisten der Republik, hat in der "Süddeutschen Zeitung" die Behauptung aufgestellt: "Der Nährboden für die Verleumdung ist im Reich der niedersächsischen CDU zu suchen." Leyendecker wird noch genauer: "Ehemalige Mitglieder des Kabinetts Wulff" hätten gegen Bettina Wulff "gestichelt". In der CDU seien "kleine schmutzige Andeutungen gestreut" worden.

Der Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann aus Göttingen, forderte Ministerpräsident David McAllister (CDU) auf, die Vorwürfe "schnell aufzuklären". McAllister selbst lehnte eine Stellungnahme ab, und in der CDU befürchtet man schon eine Schmutzkampagne. In viereinhalb Monaten wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt, und die CDU wirkt irritiert im Umgang mit ihrem früheren Ministerpräsidenten. Die Haltung in der Partei ist uneinheitlich, es gibt noch viele Anhänger, aber auch Enttäuschte.

Leyendecker fügt nun eine Variante hinzu: Es gebe auch Intriganten, die böse Gerüchte gestreut hätten, um Christian Wulff zu schaden oder seiner Frau - oder beiden zugleich. "Das klingt wie eine Dolchstoßlegende", sagte am Sonntag ein hochgestelltes CDU-Mitglied, "am Ende wären nicht Wulffs Fehler Schuld an seinem Sturz gewesen, sondern übelwollende frühere Mitstreiter, die ihm und seiner Familie angeblich sowieso nur schaden wollten."

Aber wie wahrscheinlich ist das? Tatsächlich erinnern sich enge Mitarbeiter von Wulff daran, dass Gerüchte über Bettina Wulffs angebliche Vergangenheit als Prostituierte schon 2006 auftauchten, ziemlich bald nach Beginn der Beziehung der beiden. Die neue Frau symbolisierte einen Imagewandel Wulffs - er wirkte lockerer, lebenslustiger und toleranter als früher. Sein "Schwiegersohn-Charme" des Tugendhaften ging verloren.

Vielen vom katholisch-konservativen Flügel der Union passte das nicht in den Kram. Doch dieser Flügel ist in der Landespartei nur schwach repräsentiert, und im Kabinett ist niemand davon zu finden. Einer, der eng an Wulffs Seite tätig war, erinnert sich: "Erst kamen die Hinweise von Journalisten, dann von Verbandsvertretern und Politikern. Viele Medien schickten Rechercheteams auf den Weg - ohne Ergebnis. Dann verschwand das Gerücht, tauchte aber rund um die Kandidatur zum Bundespräsidenten wieder auf - und wurde dann heftiger."

Das Gerücht wurde sogar mit einem konkreten Vorgang unterlegt: Im Steuerstreitverfahren rund um das Etablissement "Chateau am Schwanensee" in Neuwarmbüchen hatten die Ermittler auch Prostituierte befragt, darunter eine "Betty" oder "Tina". Handelte es sich um Bettina Wulff?

Derartige Hinweise wurden von Berliner Medien aufgegriffen und weitergetragen, sie schwappten zu Medien in Hannover - und wurden Gesprächsstoff, besonders intensiv kurz nach Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten. Leyendecker schreibt, dass frühere Kabinettsmitglieder gegen Bettina Wulff gestichelt hätten - und zwar solche, die "ihren Einfluss verloren" hätten und solche, die selbst gern Ministerpräsident geworden wären.

Ein Minister sagt: "Seit 2008 waren zwar viele mit Wulffs Stil nicht einverstanden. Aber klar war, dass McAllister ihm einmal nachfolgen würde. Niemand war deshalb 2010 dagegen, dass er geht und Bundespräsident wird." Tatsächlich gab es aber starken Gegenwind von Kräften, die Wulffs Aufstieg zum Staatsoberhaupt verhindern wollten, und das kam auch aus der konservativen Ecke.

Aber dies geschah über Medien wie die "Welt", den "Spiegel" und die "Frankfurter Allgemeine" und wurde begleitet von einer Pro-Kampagne für seinen Gegenkandidaten und späteren Nachfolger Joachim Gauck. Rotlicht-Gerüchte spielten dabei keine erkennbare Rolle - und Niedersachsen waren an diesem Spiel kaum beteiligt.

Trotzdem wurde auch in Hannover oft und viel getuschelt über Bettina Wulffs angebliche Rotlicht-Vergangenheit, vor allem rund um die Bundespräsidentenwahl 2010. "Niemand kann ausschließen, dass auch Minister daran beteiligt waren", meint ein CDU-Politiker.

Aber: Auf verschiedenen Sommerfesten, Pressereisen und Hintergrund-Runden waren häufig auch SPD-Politiker fleißig dabei, dieses Thema ins Gespräch zu bringen. Die Verbreitung von Gerüchten hat, anders als die "Süddeutsche Zeitung" nahelegt, offenbar keine parteipolitischen Grenzen gehabt.

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