Betreuungsgeld im Praxistest Was Mütter und Erziehungs-Expertinnen aus der Region Bonn von der "Herdprämie" halten

BONN · Eigentlich müsste sich die Duisdorferin Nicole Feldgen freuen. Die Bundesregierung will allen Eltern, die ihre ein- oder zweijährigen Kinder nicht in eine Tagesstätte schicken, ab August 2013 erst 100 Euro im Monat, später 150 Euro im Monat Betreuungsgeld zahlen.

 Sie sehen das geplante Betreuungsgeld überwiegend kritisch: Nicole Feldgen, die derzeit als Hausfrau ihre zwei Kinder versorgt...

Sie sehen das geplante Betreuungsgeld überwiegend kritisch: Nicole Feldgen, die derzeit als Hausfrau ihre zwei Kinder versorgt...

Familie Feldgen würde vom Geldgeschenk der Regierung profitieren: Für das jüngste ihrer zwei Kinder würden sie die Zusatzleistung kassieren können. Nicole Feldgen, ausgebildete Grundschullehrerin, möchte ihren kleinen Sohn zu Hause betreuen.

Trotzdem: Das bei Fachleuten und in der Politik umstrittene Betreuungsgeld kommt auch bei einer Umfrage des General-Anzeigers schlecht weg. Diejenigen, die den Alltag mit Kleinkindern aus der Erfahrung als Mutter, Erzieherin oder Sozialarbeiterin kennen, beurteilen die Regierungspläne eher skeptisch.

"Man sollte das Geld eher nutzen, um die Betreuungssituation in den Kindertagesstätten zu verbessern", meint Feldgen. "In Bonn ist die Betreuungssituation katastrophal, man hat kaum Chancen, einen Platz zu bekommen." Auf ihre Entscheidung, als Mutter zu Hause zu bleiben, habe das Betreuungsgeld keinerlei Einfluss. Die Summe von 100 bis 150 Euro im Monat findet sie "eine Unverschämtheit". Der Lohn, der Müttern durch den Verzicht auf Arbeit entgeht, könne damit nicht ansatzweise ausgeglichen werden, sagt die 36-Jährige. "Wer freiwillig zu Hause bleibt, kann sich das auch ohne Betreuungsgeld leisten", sagt sie. "Und diejenigen, die es als Hartz-V-Empfänger gebrauchen könnten, sollen das Betreuungsgeld nicht erhalten."

Auch Gaby Plumm, Leiterin der Kita Taubenschlag in Oberkassel hält es für sinnvoller, die Betreuungsmöglichkeiten auszubauen als Eltern dafür zu bezahlen, ihre Kleinkinder zu Hause zu behalten. "Auf jeden unserer Plätze für Unter-Dreiährige kommen drei bis vier Anmeldungen", sagt die Erzieherin. "Gerade viele alleinerziehende Mütter können es sich schlicht nicht leisten, zu Hause zu bleiben", sagt sie. "Daran ändern auch 100 Euro im Monat nichts." Im Gegenteil. Die Erzieherin fürchtet, das Betreuungsgeld könne das schlechte Gewissen verstärken, dass viele berufstätige Mütter nach wie vor plage. "Damit wird suggeriert, es wäre besser, zu Hause zu bleiben", sagt sie. Für Kinder aus Migrantenfamilien sei ein früher Kita-Start oft hilfreich, um besser Deutsch zu lernen.

Die Diplom-Pädagogin Iris Hoffmann betreut als Familienhelferin in Bonn Eltern aus sozial schwachen Verhältnissen. Sie glaubt nicht, dass das Betreuungsgeld - wie oft befürchtet - als Anreiz dienen könnte, dass Kinder aus Problemfamilien von ihren Eltern aus der Betreuung genommen werden.

Oft seien die Plätze für Unter-Dreijährige ohnehin berufstätigen Eltern vorbehalten, sagt sie. Außerdem werde Hartz-IV-Empfängern das Betreuungsgeld wahrscheinlich auf das Einkommen angerechnet. Generell plädiert die Diplom-Pädagogin vor dem Hintergrund ihrer Berufserfahrung jedoch dafür, Hilfen direkt den Kindern und nicht als Geldleistung den Eltern zukommen zu lassen.

Als Mutter zweier Kinder fordert Hoffmann, vor allem die Arbeitswelt müsse insgesamt familienfreundlicher gestaltet werden. "Das ist wichtiger als diese lächerliche Summe von 100 bis 150 Euro im Monat." Hoffmann hält es für wichtig, dass Eltern überhaupt die Möglichkeit bekommen, ihre kleinen Kinder zu Hause zu erziehen.

"Noch müssen Mütter und Väter mit massiven Nachteilen rechnen, wenn sie im Beruf eine Pause einlegen", sagt sie. "Erziehung und Familie müssen gesellschaftlich aufgewertet werden." Dann fühlten sich auch Frauen nicht mehr entweder als berufstätige Rabenmutter oder "doofe Hausfrau".

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