Suche nach einer Koalition Was Rot und Grün mit der Union verbindet

BERLIN · Wie wird Deutschland in den nächsten vier Jahren regiert? Wird es eine große Koalition aus Union und SPD geben oder vielleicht doch eine kleine aus CDU/CSU und Grünen?

Gesundheit, Familie, Infrastruktur: Während die Parteien bei den ersten beiden Themenfeldern inhaltlich weit auseinander liegen, gibt es weitgehend Übereinstimmung darüber, dass in die Verkehrswege mehr Geld investiert werden soll.

Gesundheit, Familie, Infrastruktur: Während die Parteien bei den ersten beiden Themenfeldern inhaltlich weit auseinander liegen, gibt es weitgehend Übereinstimmung darüber, dass in die Verkehrswege mehr Geld investiert werden soll.

Foto: dpa

In diesen ersten Tagen nach der Bundestagswahl vermitteln sowohl die SPD als auch die Grünen zwar noch nicht den Eindruck, dass sie den Weg in die Bundesregierung ansteuern wollen. Doch irgendwann wird es eine Koalition geben müssen. Wo aber liegen die betreffenden Parteien auseinander und wo gibt es Schnittmengen? Ein Überblick:

Thema Nummer eins bei der SPD war im Wahlkampf die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Auch die Grünen sind der Meinung, dass zumindest 8,50 Euro pro Stunde gezahlt werden sollten. Die Union hingegen ist weiter dafür, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer "branchenspezifisch" auf Lohnuntergrenzen einigen. Ob ein Kompromiss möglich ist? Die Mindestrente für Geringverdiener, auch die stärkere Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei der Mütterrente - das sind hingegen Themen, in denen sich CDU/CSU und SPD einigen könnten. Weit auseinander liegen beide Parteien aber beim Thema Leiharbeit, wo die Union nur Auswüchse begrenzen, die SPD aber das gesamte System auf den Prüfstand stellen will.

Hier wird es bei Verhandlungen mit beiden möglichen Partnern schwierig werden. Beispiel Betreuungsgeld: Als eine ihrer ersten Maßnahmen nach einer gewonnenen Wahl hatten sowohl SPD als auch Grüne die Abschaffung genannt. Vor allem die CSU wird aber auf der staatlichen Leistung beharren. Beispiel Ehegattensplitting: SPD und Grüne wollen es abschaffen oder zumindest reformieren, während die Union diese Form der Besteuerung beibehalten und durch ein Familiensplitting ergänzen will. Haken wird es auch an dem unterschiedlichen Familienbild der möglichen Partner. So formulierte die SPD gestern bereits als unverzichtbar, dass Homo-Ehen künftig Kinder adoptieren dürfen. Mit der Union ist das nicht zu machen.

Vielleicht jetzt doch Steuererhöhungen? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schließt genau dieses Instrument plötzlich nicht mehr aus, nachdem die Unionsparteien dies im Wahlkampf strikt abgelehnt hatten, weil sie vor allem die Mittelschicht nicht stärker belasten wollen. Folgten CDU und CSU Schäubles noch vagem Vorstoß, käme dies einem Angebot an SPD und Grüne gleich. Denn Schäuble sagt auch: Eigentlich habe der Staat "keine zusätzlichen Einnahmequellen" nötig. SPD und Grüne dagegen hatten im Wahlkampf eine Erhöhung der Spitzensteuersätze von derzeit 42 Prozent auf am Ende 49 Prozent angekündigt. Die SPD will diesen Spitzensteuersatz ab 100.000 Euro (Ledige)/200.000 Euro (Verheiratete) zu versteuerndem Jahreseinkommen. Die Grünen wollen den Spitzensteuersatz bei 60.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen auf 45 Prozent linear verlängern. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 80.000 Euro soll er dann bei 49 Prozent liegen.

Sowohl Union als auch SPD und Grüne haben in der Vergangenheit den Euro-Rettungspaketen im Bundestag jeweils zugestimmt. Grundsätzlich verschiedene Positionen haben die möglichen Partner da nicht. Natürlich gibt es Unterschiede. So sieht die SPD Bankenhilfen aus dem Euro-Rettungstopf kritischer als die Union.

Einig sind sich Union, SPD und Grüne mit dem Ausstiegsbeschluss von Schwarz-Gelb nach dem GAU in Fukushima, dass die Atomkraft in Deutschland keine Zukunft mehr hat. Spätestens 2022 sollen AKWs vom Netz sein. Ebenfalls einen Konsens haben Union, SPD und Grüne bei der Suche nach einem Atommüllendlager gefunden. Ohne Vorfestlegung auf den Salzstock Gorleben soll nun in ganz Deutschland nach einem geeigneten Standort gesucht werden. Unterschiedlich sehen die möglichen Koalitionspartner aber den Weg hin zu einer Energiewende. Die Grünen wollen sehr viel schneller auf erneuerbare Energien umstellen als SPD oder Union. Auch wollen die Grünen im Vergleich zu Union und SPD den Anteil der Kohle- und Gaskraftwerke am Gesamtenergiemix schneller reduzieren und auf Erneuerbare Energien umstellen. Die SPD kündigte in ihrem Wahlprogramm ein Energieministerium an, um Kompetenzen für erneuerbare Energien, Netzausbau und Speichertechnologie besser zu bündeln. Die Grünen würden gern "Industrieprivilegien" in Milliardenhöhe bei der EEG-Umlage abbauen. In der Union wiederum drängt vor allem der Wirtschaftsflügel auf eine EEG-Reform, um die Kosten für die Wirtschaft zu senken. Einigung insgesamt aber möglich: Alle erkennen die Energiewende als zentrales Zukunftsthema an.

Einig sind sich alle für Koalitionen in Frage kommende Parteien darin, dass mehr Geld in Verkehrswege investiert werden soll. Vor dem Bau neuer Straßen sollten allerdings Engpässe im bisherigen Netz beseitigt werden, so die einhellige Meinung. Klar scheint auch, dass die Parteien auf mehr Bundesstraßen als bisher von den Lastwagenfahrern Maut erheben wollen. Zwischen CDU und CSU weiter umstritten ist die Frage, ob überhaupt und wenn ja, wie ausländische Autofahrer in Deutschland zur Kasse gebeten werden können.

Sowohl SPD als auch Grüne halten am Projekt Bürgerversicherung, also einer Krankenkasse für alle, fest. Die Grünen fordern darüber hinaus eine höhere Beitragsmessungsgrenze und die Begrenzung der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern. Wie eine Einigung hergestellt werden kann, ist noch nicht absehbar. Unklar ist auch, mit welchen Rezepten die Parteien auf den demografischen Wandel und das große Thema Pflege reagieren wollen.

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