Debatte um neue Rundfunkgebühren Wer wohnt, der zahlt

BONN · Es soll sich nur für wenige etwas ändern, versichern die Offiziellen der Gebühreneinzugszentrale GEZ, die bald nicht mehr so heißt, sondern "ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice" (AZDBS). Ab dem 1. Januar zieht die Zentrale in Köln-Ossendorf, die in diesem Jahr 7,5 Milliarden Euro in die Kassen der öffentlich-rechtlichen Sender spülte, neue Saiten auf.

Wer wohnt, der zahlt, nach dieser Devise funktioniert die Versorgung von ARD, ZDF & Co. ab Januar: Jeder Haushalt ist mit 17,98 Euro pro Monat dabei, exakt den Betrag zahlte bislang, wer einen Fernseher hatte. Jetzt zahlt jeder, ob er ein Gerät hat oder nicht. Befreiungen gibt es nicht, allenfalls für taubblinde und blinde Mitbürger, für Bafög- und Sozialhilfeempfänger.

Nur 5,76 Euro zahlte bislang, wer nur ein Radio, einen Computer oder ein Smartphone besaß. Jetzt zahlt jeder den vollen Beitrag. 60 Prozent der Bundesburger sind gegen die "TV-Steuer", in Medien wird bereits diskutiert, dass es sich bei der Reform um einen juristisch unhaltbaren Staatsvertrag handle. Möglicherweise ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht.

Zwar heißt es bei den Öffentlich-Rechtlichen, man reagiere mit der Reform auf die Internet-Revolution und die Tatsache, dass "Tageschau" oder "Wetten dass..?" nicht nur auf dem Fernseher, sondern auch per Smartphone und Tablet empfangen werden können. Der wahre Hintergrund für die Beitrags-Novelle aber scheint ein anderer zu sein: Die bereits von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) in einer Studie nachgewiesene zurückgehende Zahlungsbereitschaft der Nutzer sorgt bei der GEZ für Einnahmeverluste und steigende Kosten für die Gebühreneintreiber.

Problem Nummer zwei: Immer mehr Menschen unter 50 kehren ARD und ZDF den Rücken. Somit wächst der Rechtfertigungsdruck bei der GEZ. Denn wie soll man jemanden zur Kasse bitten, der gar kein Interesse an dem angebotenen Produkt hat?

Die Lösung: Man installiert möglichst schnell per Gesetz eine Art TV-Steuer, die pauschal jeden Haushalt abschöpft, ob er nun Fernsehen (und die öffentlich-rechtlichen Sender) nutzt oder nicht. Etwaige Ermessens- und Härtefälle werden so geregelt, dass zunächst nicht die Gebührenzentrale belastet wird, sondern der Bürger. Schätzungen nach werden außer bisherigen "Schwarzsehern" rund 600 000 Radiohörer, die keinen Fernseher haben, tiefer in die Tasche greifen müssen. Es gibt aber auch andere Härten.

Vergangenen Samstag rief eine Dame bei der WDR-5-Sendung "Funkhaus Wallrafplatz" zum Thema Rundfunkgebühren an und fragte, ob ihre Mutter, die dement sei und in einem Pflegeheim wohne, Gebühren zahlen müsse, obwohl sie nichts mehr mitbekomme? Sie müsse zahlen, aber "nur den ermäßigten Satz" von 5,99 Euro, erklärte SWR-Justitiar Hermann Eicher. Das sei einer der eher ungerechten Fälle, erklärte Eicher, man könne da jetzt aber nichts machen. Nicht nur Moderatorin Dorothee Dregger und Studiogast Manuela Duda von der Verbraucherzentrale NRW hielten da entsetzt die Luft an.

Gestern ruderte die GEZ zurück: Bewohner von Pflegeheimen sollen nicht einzeln zur Kasse gebeten werden. Der Sozialverband Deutschland aber wittert weitere Härten im System.

Doch nicht nur dieser und ähnliche Fälle sorgen für Kritik. Es ist generell die TV-Zwangssteuer für die Öffentlich-Rechtlichen, die Unmut provoziert. Laut "Süddeutsche Zeitung" gehen bei der ARD nur 38 Prozent der Rundfunkgebühren in Höhe von 7,5 Milliarden Euro in die Programme. Beim ZDF sind es immerhin 57 Prozent.

Mit den Rundfunkgebühren wird ein Medienimperium mit 22 Fernsehsendern, 67 Hörfunkprogrammen und unzähligen Internet-Angeboten finanziert. Es ist der teuerste Medienverbund Europas. Und der Gebührenzahler hat keine Möglichkeit der Kontrolle.

Fragen zur Gebühr:

  • Wie viel muss ich für meinen Haushalt zahlen?

Künftig gilt die Faustformel: "Eine Wohnung - ein Beitrag". Egal ob Pärchen, Großfamilie oder Vierer-WG - nur einer zahlt. Allerdings werden immer 17,98 Euro fällig. Einen ermäßigten Satz für Leute ohne Fernseher gibt es nicht mehr. Ausnahmen gibt es nur für sehr arme Leute, BAföG-Empfänger und einen Teil der behinderten Menschen. Die Sender beteuern, dass sich für 90 Prozent der Bürger nichts ändere.

  • Was ist mit der Zweitwohnung?

Für eine Zweitwohnung ist ein eigener Rundfunkbeitrag fällig.

  • Wie viel muss man für das Auto zahlen?

Gar nichts, sofern man es privat nutzt. Das ist mit dem Haushaltsbeitrag schon abgegolten. Anders verhält es sich mit Dienstwagen: Zahlt der Besitzer für ein Büro, kostet das erste Dienstfahrzeug nichts. Für jedes weitere Auto fallen 5,99 Euro an. Bei mehreren Betriebsstätten ist jeweils ein Wagen beitragsfrei.

  • Was haben Firmen zu erwarten?

Die Höhe des Beitrags für Firmen, Verbände und Institutionen richtet sich nach der Anzahl der Niederlassungen, Beschäftigten und Dienstwagen. Kleinster Beitrag ist 5,99 Euro für Mittelständler mit bis zu acht Mitarbeitern.

  • Wozu eigentlich diese Reform?

Die öffentlich-rechtlichen Sender berufen sich auf den Fortschritt der Technik. Die Ära von Radio und Fernsehen sei vorbei. Mit Computer und Smartphones könnten die Bürger alle Programme genauso verfolgen. Deswegen sei das klassische Gebührensystem veraltet. Das neue Modell soll das System gerechter, transparenter und einfacher - und die unbeliebten GEZ-Fahnder überflüssig - machen. Da jeder Haushalt erst einmal herangezogen wird, entfällt für die Sender sehr viel Aufwand.

  • Bringt die Reform den Sendern mehr Geld?

Nein, beteuern zumindest die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Und schränken auf ihrer Website zugleich ein: "Tatsächliche Mehr- oder Mindereinnahmen durch das neue Finanzierungsmodell lassen sich erst ermitteln, wenn diese weitreichende Reform umgesetzt ist."

Machen Sie mit!

Die öffentlich-rechtlichen Sender kassieren im großen Stil ab. Selbst wer kein Fernsehgerät besitzt, soll ab 1. Januar die Gebühr bezahlen. Dürfen die Sender das? Ist eine Fernsehzwangssteuer überhaupt rechtens?

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