Terrorabwehr Wie es nach dem Anschlag in Halle weitergeht

Halle · Die Parteien entwickeln Aktionspläne zum verstärkten Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Darin geht es zum Beispiel um "Hybridwaffen".

 Menschen kommen nach einem ökumenischen Gedenkgottesdienst für die Opfer des Terroranschlags in Halle vor der Marktkirche in Halle/Saale zusammen und stellen Kerzen ab.

Menschen kommen nach einem ökumenischen Gedenkgottesdienst für die Opfer des Terroranschlags in Halle vor der Marktkirche in Halle/Saale zusammen und stellen Kerzen ab.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Die Ermittler arbeiten weiter auf Hochtouren, um herauszufinden, wie es dazu kam, dass ein Rechtsterrorist offenbar über längere Zeit unentdeckt einen antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Halle vorbereiten und dann zwei Menschen in der Innenstadt erschießen konnte, ohne sofort gestoppt und gefasst zu werden. Derweil beschäftigen sich die Parteien zu Beginn der neuen Sitzungswoche des Bundestages mit den Konsequenzen. Es zeigt sich: Trotz einhelliger Verurteilung der Bluttat sind sich Union und SPD noch nicht einig, auf welchen Weg sie sich im Kampf gegen den Rechtsextremismus begeben sollen.

Der CDU-Vorstand beschloss am Montag eine 23 Forderungen umfassende "Handlungsoffensive gegen rechtsextremistischen Terror". Danach sollen Investitionen für die Sicherung von Gebäuden, die dem jüdischen Leben dienen, finanziell gefördert und Betreiber von Plattformen verpflichtet werden, strafrechtlich relevante Fälle von sich aus den Strafverfolgungsbehörden zu melden. Die CDU denkt daran, besonders schwere Fälle von Verleumdung, Beleidigung oder Bedrohung im Netz als Verbrechen einzustufen, so dass die Strafverfolgung auch ohne Anzeige erfolgt. Weil Online-Spiele "virtuelle Räume für Hass und Hetze" böten und die Gewaltbereitschaft förderten sollen Spieleplattformen in die besondere Verantwortung im Kampf gegen Hass und Hetze einbezogen werden. Wichtig für die CDU sind auch die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, längere Speicherfristen für die Daten rechtsextremistischer Täter und eine bessere Auswertung großer Datenmengen. Sie setzt zudem auf konsequente Verbote verfassungsfeindlicher Organisationen.

In einer weiteren Passage widmet sich die CDU einer "Vertrauensoffensive" für die Grundordnung. Dafür solle der Bund die Demokratieförderung weiter verstärken. Die Programme müssten vor allem junge Menschen überall erreichen. "Schüler- und Jugendaustauschprogramme mit Israel sollen ausgebaut und finanziell gestärkt werden", hält die CDU in diesem Zusammenhang fest. Sie will in den Schulen die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus fördern. Auch für die Lehrerausbildung macht die CDU weitere Vorgaben: "Wir erwarten, dass der Besuch authentischer Gedenkstätten für Lehramtsstudierende in den einschlägigen Fächern verpflichtend wird."

Die SPD-Minister für Familie und Finanzen, Franziska Giffey und Olaf Scholz, verständigten sich darauf, die Initiativen gegen Rechtsextremismus auch im nächsten Jahr mit 115,5 Millionen Euro zu unterstützen. Giffey will ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, um über die jeweils zeitlich befristete Förderung von Modellprojekten eine dauerhafte Finanzierung sicherzustellen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wandte sich indes gegen weitere Rechte für die Sicherheitsbehörden, wie sie Innenminister Horst Seehofer (CSU) zur Aufklärung des Rechtsextremismus in geschlossenen Internetforen forderte (siege Text unten). "Es kann nicht sein, dass auf einmal ohne konkreten Grund, ohne konkreten Anlass flächendeckend Kommunikation durchsucht wird", sagte Klingbeil und legte sich fest: "Das ist ein Weg, den die SPD nicht mitmacht."

"Die rechten Foren und Netzwerke müssen stärker beobachtet werden", verlangt der Parteichef der Linken, Bernd Riexinger. "Wir müssen Rechtsverstöße konsequent ahnden und kriminelle Vereinigungen effektiv verbieten. Das bedeutet auch, dass Volksverhetzung im Rahmen öffentlicher Aufmärsche nicht mehr ungestraft bleibt." Der Staat brauche zudem eine unabhängige Ermittlungsstelle, die Anzeigen gegen Polizisten nachgehe. Denn rechte Netzwerke seien auch innerhalb der Polizei ein Problem. Zu dem von den Linken geforderten "Aktionsplan gegen Rechts" gehörten auch überzeugende Konzepte, wie demokratische Bildung, Verständnis und Toleranz auch in Umfeldern gestärkt werden, in denen diese Werte immer weniger selbstverständlich seien.

Auch das FDP-Präsidium beschloss am Montag einen Zehn-Punkte-Plan. Dieser setzt unter anderem darauf, die föderale Sicherheitsarchitektur neu zu ordnen, um vor allem auf dem Feld des Verfassungsschutzes klare Zuständigkeiten und Befugnisse zu erhalten. Die Staatsanwaltschaften sollten besondere Schwerpunkte für das Vorgehen gegen antisemitische Straftaten bilden. Die FDP verlangt, die rechtsextreme Szene konsequent zu entwaffnen. Ein entschiedeneres Vorgehen gegen illegale Waffen müsse dabei insbesondere auf das neue Phänomen sogenannter Hybridwaffen gerichtet sein, deren Baupläne im Internet kursierten und die auf 3D-Druckern auch von Privatleuten hergestellt werden könnten. Zudem wollen die Liberalen ein Konzept gegen "Schwarmterrorismus".

Denn auch Täter, die im strafrechtlichen Sinne ohne Hintermänner handelten, wüssten sich getragen und geistig unterstützt von einer weltweit wachsenden rechtsextremen Szene die sich im Schutz der Anonymität des Internets gegenseitig anstifte und ermutige. Wer dort herausbreche und zum Täter werde, müsse frühzeitig erkannt werden. Schließlich fordert die FDP, im Rahmen einer Sofort-Initiative bis zu 20 Millionen Euro bereitzustellen, um die Förderung von Programmen, Maßnahmen und Aktionen gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausländerhass sowohl in Politik und Gesellschaft zu verstärken.

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