Friedrich-Ebert-Stiftung Willy Brandt und die Würde der Politik

BONN · Jubiläen, runde Geburtstage sind selten Anlass zu besonderer Kritik am Jubilar. Dass man sie dennoch zu differenzierender Würdigung nutzen kann, bewies Montagabend die Friedrich-Ebert-Stiftung im völlig überfüllten Forum ihres Hauses an der Ebert-Allee. Sie widmete Willy Brandt, der am 18. Dezember hundert Jahre alt geworden wäre, eine erste Festveranstaltung. Weitere in Lübeck, Unkel, Berlin und im Ausland folgen.

 Erhard Eppler: "Willy Brandt hat sich niemandem angebiedert, nicht einmal seinen Genossen."

Erhard Eppler: "Willy Brandt hat sich niemandem angebiedert, nicht einmal seinen Genossen."

Foto: Horst Müller

Erhard Eppler, Minister neben Brandt in der ersten großen Koalition, Minister unter ihm in der anschließenden sozialliberalen Regierung, verband in seinem Vortrag die aktuelle Kritik am Politikbetrieb mit dem Altkanzler: "Wenn ich mir heute eine Brandt-Renaissance erträume, dann vor allem, weil es kaum eine Biografie gibt, die, wie die Brandts, der Politik so etwas wie ihre Würde zurückgeben könnte." Denn Brandt habe eher auf Macht und Karriere verzichten wollen "als auf das, was er für richtig und unerlässlich hielt".

Der frühere Entwicklungsminister beschäftigte sich dabei sehr detailreich mit Brandts Entwicklung. Mit seiner Krise nach zwei gescheiterten Kanzlerkandidaturen in den 60er Jahren, mit seiner anschließenden Reifung: "Brandt wollte nur noch Willy Brandt sein." Er "hat sich niemandem angebiedert, nicht seinen Gegnern, nicht einmal seinen Genossen."

Eppler bemühte sich auch, Klischees über den langjährigen SPD-Vorsitzenden zu widerlegen. Etwa das vom Visionär. "Brandt war kein Visionär, der die Realität übersah, er war ein Pragmatiker, der wusste, was er wollte, wohin er wollte, und der dann die kleinen Schritte dahin genau berechnete."

Oder das Klischee von seiner schwachen Führungskraft, in den 70er Jahren als "entschiedenes sowohl als auch" karikiert. "Brandt wusste, dass die SPD nur zur linken Volkspartei werden konnte - und unter ihm war sie das - wenn sie Raum gab für sehr verschiedene Temperamente, Interessen und Themen." Deshalb ließ er Eppler seine ökologische Politik entwickeln, deshalb versuchte er, Friedensbewegung und Kanzlerkurs in der Nachrüstungsdebatte zusammenzuhalten: "Was das an Spannungen hervorrief, in der Parteiführung, vor allem aber in ihm selbst, können wir nur ahnen. Ein schwächerer Charakter wäre daran zerbrochen."

In der anschließenden Podiumsdiskussion überraschte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) mit dem Bekenntnis: "Wir wollten die Republik verändern und sahen in Brandt und seiner Partei die richtigen Partner." Und Gesine Schwan, heute Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin, zwischenzeitlich Bundespräsidentschaftskandidatin der SPD, nicht frei von Zweifeln an Brandt, stimmte letztlich Eppler zu, dass Brandts Politik Würde gehabt habe: "Dadurch, dass es ihm um etwas ging." Die Zuhörer, unter ihnen Brandts Kanzleramtsminister Horst Ehmke, der frühere Staatsminister im Kanzleramt Gunter Huonker und Forschungsminister a.D. Volker Hauff, applaudierten gerne.

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