Interview mit David McAllister "Wir brauchen eine Phase der Festigung"

BONN · In den nächsten Jahren wird es keine weiteren EU-Beitritte geben, sagt der CDU-Spitzenkandidat für die Europawahl, David McAllister. Mit dem früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten sprachen Ulrich Lüke, Sandro Schmidt und Andreas Tyrock.

 "Wir müssen die Menschen überzeugen, am 25. Mai wählen zu gehen": David McAllister.

"Wir müssen die Menschen überzeugen, am 25. Mai wählen zu gehen": David McAllister.

Foto: Barbara Frommann

Warum stellen Sie sich für Europa zur Verfügung?
David McAllister: Weil Europa ein faszinierendes Projekt ist. Auch wenn nicht alles rund läuft und manches besser werden soll.

Was läuft nicht rund?
McAllister: Viele Menschen verbinden die Europäische Union mit ihren zahlreichen Behörden zu oft mit zu viel Bürokratie und unübersichtlichen Entscheidungsprozessen. Wir wollen, dass das Projekt Europa wieder das Vertrauen der Menschen erhält.

Was muss besser werden?
McAllister: Die Europäische Union sollte sich in den nächsten Jahren auf die großen Zukunftsaufgaben konzentrieren. Auf das, was die einzelnen Mitgliedstaaten nicht selbst bewältigen können. Wir müssen wettbewerbsfähiger werden, zusammen stark sein. Gemeinsam haben wir auch eine Stimme, die in der Welt wahrnehmbar gehört wird.

Sollte die EU-Kommission verkleinert werden?
McAllister: Das ist für mich nicht die entscheidende Frage. Die gegenwärtige Praxis garantiert, dass eben jedes Land in der Kommission personell vertreten ist. Wichtiger ist, dass die Kommission effizient arbeitet und es klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten gibt.

Ist Europa umso besser, je größer es ist?
McAllister: Die EU hat jetzt 28 Mitgliedstaaten und sollte grundsätzlich für weitere Mitglieder offen bleiben. Um die Faszination der europäischen Idee zu spüren, braucht man nur in Länder zu fahren, die sich auf den Weg machen, der EU beizutreten. Aber wir brauchen jetzt eine Phase der Festigung. Es wird in den nächsten Jahren keine weiteren Beitritte geben.

Weiß das die Türkei?
McAllister: Mit der Türkei laufen die Beitrittsverhandlungen, aber es gibt keinen Automatismus. Es geht im Übrigen nicht nur um die Beitrittsfähigkeit eines Landes, sondern auch um die Aufnahmefähigkeit der EU. Die EU wäre mit der Türkei wegen der Größe des Landes und seiner Wirtschaftsstruktur überfordert. Die CDU kann sich eine Vollmitgliedschaft der Türkei nicht vorstellen. Das ist klar im Entwurf unseres Wahlprogramms formuliert.

Würde die Schweiz in die EU passen?
McAllister: Die Frage stellt sich nicht, weil die Schweiz keine Mitgliedschaft anstrebt.

Die Volksabstimmung zur Zuwanderung dort hat ausgedrückt, was wohl viele Menschen denken...
McAllister: Ich bedauere die Entscheidung, die die Schweizer mit einer ganz knappen Mehrheit getroffen haben. Was das im Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union konkret bedeutet, wird sich erst noch zeigen.

Fürchten Sie Aufwind für populistische Strömungen bei der Europawahl?
McAllister: Je niedriger die Wahlbeteiligung ist, desto leichter wäre es für die Gegner Europas. Deshalb gilt es überall in Europa, die Menschen zu überzeugen, am 25. Mai tatsächlich wählen zu gehen.

Womit will die Union denn punkten?
McAllister: Wir haben jetzt einen 78-seitigen Wahlprogrammentwurf. Am 5. April wird der Bundesparteitag darüber beschließen. Unsere Botschaft lautet zusammengefasst: Für ein starkes Deutschland in einem starken Europa.

Was fällt Ihnen zum Stichwort Demokratisierung Europas ein?
McAllister: Das Europäische Parlament hat seit dem Lissabonner Vertrag viel mehr Rechte als vorher. Es ist die einzige direkt von den Bürgern gewählte Institution. In 90 Prozent der Fälle ist es mit dem Rat mitwirkender Gesetzgeber, aber das eigenständige Initiativrecht fehlt. Das fordern wir als CDU. Persönlich kann ich mir vorstellen, dass wir eines Tages in Europa ein Zweikammersystem haben werden: das Parlament als erste Kammer und den Rat als zweite Kammer, im Prinzip so ähnlich wie bei uns in Deutschland das System mit Bundestag und Bundesrat.

Europa der zwei Geschwindigkeiten?
McAllister: Das ist ein Begriff, den ich nicht mag. Es gibt längst ganz viele Beispiele für unterschiedliche Entwicklung. 18 EU-Staaten haben den Euro, zehn haben ihn noch nicht. Den Wegfall der Grenzkontrollen nach Schengen haben 22 EU-Staaten, sechs nicht. Grundsätzlich sollte die Gemeinschaftsmethode zwischenstaatlichen Vereinbarungen vorgezogen werden.

War die EU selbstbewusst genug im NSA-Skandal?
McAllister: Die Partnerschaft mit den Amerikanern ist elementar wichtig und gefestigt. Leider haben die Beziehungen durch den NSA-Skandal einige Rückschläge erlitten. Wir sind klug beraten, die Konsequenzen gemeinsam als Europäer zu verhandeln.

Sollte man bis dahin die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen auf Eis legen?
McAllister: Damit erreicht man doch nichts. Im Gegenteil: Vielmehr sollten wir die Verhandlungen auch nutzen, um mit den USA Fragen des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre rechtlich bindend zu regeln.

Der nächste Kommissionspräsident...
McAllister: ...soll wieder ein Christdemokrat werden. Dafür kämpfen CDU und CSU.

Wer?
McAllister: Es gibt bislang zwei Bewerber für den Spitzenkandidaten der EVP: Jean-Claude Juncker aus Luxemburg und Michel Barnier aus Frankreich. Jean-Claude Juncker genießt viele Sympathien in der CDU Deutschlands. Die endgültige Entscheidung trifft der Parteitag der EVP am 6. und 7. März in Dublin.

Zur Person

Nach der verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen im Januar 2013 hat David McAllister zunächst einige Zeit gebraucht, bis er wieder auf Touren war. McAllister hatte die politische Führung in Niedersachsen 2010 von Christian Wulff übernommen, nachdem dieser Bundespräsident geworden war. Sein Vater war bei der Rheinarmee in Berlin stationiert, seine Mutter ist Deutsche. Auf seine schottischen Wurzeln ist er stolz - bei seiner Hochzeit trug er einen Kilt.

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