Fall Edahy Ziercke und Oppermann stützen sich gegenseitig

BERLIN · Der Anruf dauert drei Minuten, vielleicht auch vier. Und er hat Folgen. Jörg Ziercke ist jedenfalls "wirklich überrascht", als am 17. Oktober vergangenen Jahres, einem Donnerstag, gegen 15.30 Uhr ein Anrufer zu ihm durchgestellt wird, mit dem er zuletzt vor mehr als vier Jahren in Gesprächskontakt war.

Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), steht jetzt vor Raum 2300 des Paul-Löbe-Hauses, wo er gerade dem Innenausschuss des Bundestages knapp drei Stunden Rede und Antwort gestanden hatte. Nun rekonstruiert der BKA-Präsident jene knapp vier Minuten Telefongespräch vor laufenden Kameras noch einmal.

Am anderen Ende der Leitung meldet sich an jenem Oktober-Tag ein Anrufer bei Ziercke, der möglicherweise bald oberster Dienstherr des BKA-Präsidenten werden könnte. Ein Parteifreund. Thomas Oppermann, bis dato noch SPD-Fraktionsgeschäftsführer, aber in den bevorstehenden schwarz-roten Koalitionsverhandlungen mit Ambitionen auf den Posten des Bundesinnenministers, klingelt in dringender Angelegenheit durch.

Oppermann will Aufklärung wegen eines Mannes aus den eigenen Fraktionsreihen. Der Name des SPD-Politikers Sebastian Edathy ist mit 800 weiteren Verdächtigen allein in Deutschland auf der internationalen Kundenliste einer Online-Filmversandfirma mit Sitz in Kanada aufgetaucht, die dem BKA wegen des Verdachts der Kinderpornografie für weitere Ermittlungen überspielt worden war.

[kein Linktext vorhanden]Jetzt sind Oppermann und Ziercke just wegen dieses Telefonats Gegenstand von Spekulationen, Vermutungen und gefühlten Halbwahrheiten. Warum hat Oppermann den BKA-Präsidenten in der causa Edathy überhaupt angerufen? Handelte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer womöglich auf Weisung?

Nach Überzeugung des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Bosbach (CDU) hätte Oppermann wissen müssen, "dass Ziercke ihm überhaupt keine Auskünfte erteilen darf". Oppermann selbst verspricht an diesem diesigen Februar-Tag in Berlin eines: Aufklärung, lückenlos. Wie Ziercke stellt auch er sich den Fragen im Innenausschuss.

Er betont noch, es tue ihm "außerordentlich leid", dass der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) "durch meine Veröffentlichung zum Rücktritt gebracht" worden sei. Einer aus der CSU schimpft: "Genossengeschwätz." Oppermann sagt dann im Ausschuss, er habe Ziercke angerufen, "um die Dinge richtig einordnen zu können". Oppermann bestätigt die Darstellung Zierckes, wonach der BKA-Präsident Informationen des damaligen Bundesinnenministers Friedrich "nicht kommentieren" wollte.

Ziercke habe allerdings auch nicht widersprochen. Oppermann räumt dann aber ein, dass eine Formulierung in seiner Presseerklärung, wonach er sich von Ziercke eine Information zu Edathy habe "bestätigen lassen", missverstanden werden könne, "weil es eine aktive Bestätigung durch Herrn Ziercke nicht gab".

Der Sozialdemokrat Ziercke hatte Stunden zuvor im Innenausschuss Spekulationen widersprochen, es könnte sich damals gar um ein Telefongespräch unter Parteifreunden gehandelt haben: "Das ist definitiv nicht der Fall." Oppermann habe Informationen zum Fall Edathy vorgetragen, die zuvor vom damaligen Bundesinnenminister Friedrich vertraulich an SPD-Chef Sigmar Gabriel und von diesem wiederum an Oppermann selbst weitergereicht worden waren.

Nach Zierckes Darstellung bleibt er während des Gesprächs bei der Linie, "nicht etwas zu kommentieren, nur zuzuhören und verbindlich zu bleiben". Doch er räumt ein, er sei "spürbar angespannt" gewesen. Oppermann habe dies bemerkt und sinngemäß gesagt: "Ich will Sie auch gar nicht in Schwierigkeiten bringen." Ziercke ergänzt noch, er habe die Informationen, die Oppermann vorträgt, aber auch nicht dementiert. Schweigen eben. "Ich habe nichts offenbart, und Herr Oppermann hat nicht versucht, mich aktiv dazu zu verleiten."

Der Bundestag will aufklären, nicht nur im Innenausschuss. Am Nachmittag debattiert das Plenum in einer Aktuellen Stunde auf Antrag von CDU, CSU und SPD über die Edathy-Affäre. Oppermann redet dort nicht. Auch Friedrich, der für die Information an SPD-Chef Gabriel wegen der Möglichkeit des Geheimnisverrats sein Amt als Bundeslandwirtschaftsminister räumen musste, spricht nicht. Konstantin von Notz (Grüne) sieht bereits Auflösungserscheinungen bei Schwarz-Rot: "Die GroKo steht wie ein Kartenhaus im Wind." Derweil faltet Oppermann in der ersten Reihe der SPD-Bänke die Hände. Hilft nur noch beten?

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