Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" Zwei Männer und das Meer

Vor 30 Jahren versenkte der französische Geheimdienst in Neuseeland das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior". Der Fotograf Fernando Pereira ertrank. Für den Journalisten Edwy Plenel war dies der Beginn einer steilen Karriere.

 Friedenstaube auf Halbmast: Das Schiffswrack der Rainbow Warrior am Morgen nach dem Anschlag FOTO: GREENPEACE/JOHN MILLER

Friedenstaube auf Halbmast: Das Schiffswrack der Rainbow Warrior am Morgen nach dem Anschlag FOTO: GREENPEACE/JOHN MILLER

Foto: Greenpeace International

Rainbow Warrior. Krieger des Regenbogens. Benannt nach einer Prophezeiung der nordamerikanischen Cree-Indianer: "Wenn die Welt krank ist und stirbt, werden sich Menschen erheben wie Regenbogenkrieger". Als Kriegsbemalung trägt sie eine Taube mit Olivenzweig. Die hängt jetzt - am Morgen nach dem Anschlag - halb im Meer. Die Segel sind eingerollt, wie Fahnen der Niederlage.

Eine Gruppe junger Aktivisten hatte den rostigen Kutter 1978 gekauft. Unter der Flagge der frisch gegründeten Umweltorganisation Greenpeace wurde er in Protestaktionen gegen den Walfang eingesetzt, gegen die Robbenjagd und gegen Atomtests.

10. Juli 1985, kurz vor Mitternacht, Marsden Dock, Auckland, Neuseeland: Die meisten der elf Crew-Mitglieder lagen schon in ihren Kojen, als es plötzlich knallte. Das Licht ging aus, Wasser strömte ein. Er habe gedacht, ein anderes Schiff habe sie gerammt, erinnert sich einer von ihnen später. Aber es war kein fehlgeleiteter Frachter, der die Rainbow Warrior traf und zum Sinken brachte, sondern eine magnetische Seemine am Rumpf des Schiffes, eine weitere an der Schiffsschraube, die wenige Minuten später explodierte.

Die Crew brachte sich auf dem Pier in Sicherheit, während das 44 Meter lange Schiff sank. Der Greenpeace-Fotograf Fernando Pereira aber war in seiner Kabine unter Deck, um rasch seine Kamera zu holen. Durch die zweite Explosion verlor er das Bewusstsein und ertrank. Seine Leiche wurde am nächsten Tag aus dem Meer gefischt.

Die Enthüllungen zwingen Verteidigungsminister Hernu zum Rücktritt

Fernando Pereira, bei seinem Tod 35 Jahre alt, wurde in der kleinen portugiesischen Stadt Chavez geboren. Er flüchtete, um nicht zum Militärdienst eingezogen zu werden und für die damalige Salazar-Diktatur in Angola kämpfen zu müssen. Er durchquerte Francos Spanien und gelangte per Anhalter und zu Fuß bis in die Niederlande. Dort blieb er, wurde Fotograf, heiratete eine Niederländerin, wurde holländischer Staatsbürger und Vater von zwei Kindern.

Pereira war auf Hawaii an Bord der Warrior gekommen. Die Aktivisten wollten zu einer sechsmonatigen Tour aufzubrechen, die von den Marshall Islands im Nordpazifik zum Mururoa-Atoll im Südpazifik führen sollte. Die Tour war als Protest gegen die USA und Frankreich gedacht, zwei Atommächte, die auf den Pazifikinseln seit Jahrzehnten Kernwaffen testeten. Im nordpazifischen Rongelap-Atoll hatte die Crew bei der Evakuierung der Bewohner geholfen, die an den gesundheitlichen Auswirkungen der radioaktiven Strahlung litten, Opfer amerikanischer Nukleartests der 50er und 60er Jahre.

Als deutlich wurde, dass es sich nicht um einen Unfall, sondern um Sabotage handelte, richtete sich der Blick schnell gen Frankreich. Denn die Crew der Warrior hatte geplant, zum Mururoa-Atoll in Französisch-Polynesien fahren, um gegen die dort stattfindenden französischen Atomtests zu protestieren. Eine Woche später wurden die Turenges festgenommen, vermeintlich ein junges Schweizer Paar auf Hochzeitsreise. Ermittlungen ergaben: Es handelte sich um die französischen Agenten Alain Marfart und Dominique Prieur.

Edwy Plenel, damals 33-jähriger Redakteur der französischen Zeitung Le Monde, kam Anfang August aus dem Urlaub zurück und wurde eher zufällig mit der Geschichte betraut. Plenel enthüllte im September 1985, dass es sich keinesfalls um Einzeltäter handelte, auch wenn die französische Regierung und der sozialistische Präsident François Mitterrand zunächst jede Verstrickung vehement leugneten, dass insgesamt drei französische Agententeams in Auckland waren. Der Geheimdienst hatte sogar einen Maulwurf bei Greenpeace eingeschleust. Plenel versuchte, seine Angel im Trüben der Macht nach den großen Fischen auszuwerfen.

Den Großteil seiner Kindheit hatte der Journalist auf der französischen Karibikinsel Martinique verbracht. Er studierte in Algerien, als Mittzwanziger war er in Paris bei der linksextremen Ligue communiste révolutionnaire (Revolutionär-kommunistische Liga), eine trotzkistische Sturm-und-Drang-Zeit, die er nie verleugnet hat. Kritikern gilt der schmächtige Mann mit dem buschigen Schnurrbart und den dunklen Hemden als Fanatiker, als Kampagnentreiber, permanent im Machtkampf mit den Mächtigen; andere sehen in ihm einen Vorkämpfer der Pressefreiheit.

Premierminister Laurent Fabius musste nach den Enthüllungen eingestehen, dass der französische Auslandsnachrichtendienst DGSE die Attacke zu verantworten hatte. Der Verteidigungsminister Charles Hernu, seit 30 Jahren enger Vertrauter Mitterrands, und Geheimdienstchef Pierre Lacoste mussten von Bord gehen. Ein neuseeländisches Gericht verurteilte die beiden Agenten im November 1985 zu je zehn Jahren Haft wegen Totschlags und Brandstiftung. Es sei nie beabsichtigt gewesen, dass jemand in dieser Nacht starb, schrieb Dominique Prieur später in einem Buch. Mitterrand hielt den Journalisten Plenel für einen Staatsfeind und ließ ihn abhören.

1996 erklärt Präsident Chirac die französischen Atomtests für beendet

Zwischen den beiden Staaten sorgte der Vorfall für schwerwiegende Verstimmungen. Neuseeland, lange Zeit ein treuer Vorposten des alten Europas, hatte schon vor dem Anschlag die Atomtest Frankreichs und der USA im Pazifik scharf kritisiert. Jetzt wetterte Premier David Lange gegen den "staatlichen Terrorismus". Frankreich boykottierte den neuseeländischen Export und nutze seinen Einfluss, um mit dem Ausschluss aus dem europäischen Markt zu drohen. Die UN vermittelten. Frankreich musste sich entschuldigen und Neuseeland eine Entschädigung über sieben Millionen Dollar zahlen. Die Agenten Prieur und Marfart sollten den Rest ihrer Strafe im Hao Atoll in Französich-Polynesien absitzen. Sie wurden jedoch schon 1987 und 1988 aus medizinischen Gründen nach Frankreich ausgeflogen und freigelassen. Erst 1987 zahlte die französische Regierung unter starkem internationalen Druck 8,16 Millionen US-Dollar Entschädigung an Greenpeace .

Kurios blieb die Affäre trotz der Enthüllungen allemal. Außer den beiden in Neuseeland verurteilten Agenten wurde keiner der weiteren direkt Beteiligten enttarnt und zur Rechenschaft gezogen. Im September 2006, als Ségolène Royal Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten wurde, erzählte ihr Bruder Antoine der Zeitung Le Parisien, sein Bruder Gérard habe ihm gegenüber zugegeben, der Mann zu sein, der die Mine platzierte, die Fernando Pereira tötete. Konsequenzen hatte das nicht.

Zum 20. Jahrestag der Versenkung 2005 veröffentlichte Le Monde einen Bericht des Geheimdienstchefs Pierre Lacoste von 1986, in dem er schrieb, dass Mitterrand vom Plan wusste und ihn befürwortete. Wer die Männer und Frauen waren, die das Schiff versenkten, bleibt weiterhin ein Rätsel, ebenso warum sich der französische Geheimdienst dazu hinreißen ließ, auf neuseeländischem Boden das Schiff einer Umweltorganisation im Meer zu versenken - ein offenbar staatlich verordneter Anschlag auf nicht immer legalen, oft halsbrecherischen, aber friedlichen Protest.

1995, zehn Jahre nach der Sprengung der Raimbow Warrior, billigte der französische Präsident Jacques Chirac eine weitere Testserie auf dem Mururoa-Atoll. Der weltweite Protest war so groß, dass die Regierung das Manöver abblies. Chirac erklärte am 29. Januar 1996 die Kernwaffentests für beendet.

Edwy Plenel machte Karriere bei Le Monde, war schließlich von 1994 bis 2004 Chefredakteur des linksliberalen Blatts. 2008 war er Mitbegründer von Mediapart, jener erfolgreichen Internet-Zeitung, die in den vergangenen Jahren die Affäre um illegale Spenden aus dem Vermögen der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt für Sarcozys Wahlkampf ins Rollen brachte und maßgeblich an der Aufdeckung der Affäre um den französischen Haushaltsminister Jérôme Cahuzac beteiligt war, der am französischen Fiskus vorbei hohe Geldbeträge im Ausland anlegte.

Verschiedene Filme und Bücher wurden über den Anschlag auf die Rainbow Warrior veröffentlicht, eine Reihe von Songs besingen das gesunkene Schiff. Aus der kleinen Aktivisten-Gruppe ist eine mächtige internationale Organisation geworden. Greenpeace hat heute rund drei Millionen Mitglieder und 2400 Mitarbeiter. Im Jahr 2014 wurde in einem Kalender der Umweltorganisation in den USA eine Fotografie von Giraffen abgedruckt, die ausgerechnet der verurteilte Agent Alain Mafart aufgenommen hatte, inzwischen leidenschaftlicher Naturfotograf. Ein Versehen, wie sich herausstellte.

Edwy Plenel, heute 62 Jahre alt, hat zum 30. Jahrestag des Anschlags ein Buch geschrieben: "La Troisième Équipe - Souvenirs de l'affaire Greenpeace (Die dritte Mannschaft - Erinnerungen an die Greenpeace-Affäre)". Fotograf Fernando Pereira wäre am 10. Mai 65 Jahre alt geworden. Das Schiffswrack wurde im Dezember 1987 in der Matauri-Bucht im Norden Neuseelands versenkt und fand dort als künstliches Riff seine letzte Ruhestätte. Die Rainbow Warrior ist inzwischen ein beliebtes Ziel von Tauchern und von bunten Seeanemonen umrankt.

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