Axel Voss Shitstorm gegen Bonner Politiker bei Youtube

Bonn · Der Bonner Axel Voss, Bezirksvorsitzender der CDU Mittelrhein und EU-Abgeordneter, ist einem Shitstorm ausgesetzt. Denn: Im EU-Parlament versucht er einen Kompromiss zur geplanten, heiß diskutierten Richtlinie zum Urheberrecht im Internet zu finden.

Der Vernichter des Internets kommt aus dem Rheinland. Zumindest, wenn man Youtube-Seherin „Champmerle“ glaubt. „Ist das nicht derjenige, der das Internet zerstören will? der erfinder zur abschaffung von youtube.“ Der Kommentar steht unter einem Youtube-Video, in dem Axel Voss, Bezirksvorsitzender der CDU Mittelrhein und EU-Abgeordneter, in einfachen Worten erklärt, welche Ziele die seit Jahren im EU-Parlament diskutierte Richtlinie zum Urheberrecht im Internet verfolgt.

Voss ist Berichterstatter des Parlaments bei dem Thema. Unter seiner Federführung bastelt die Versammlung an einem Kompromiss. Doch seit dem Sommer stehen Voss und andere mit der Materie befasste Abgeordnete in einem massiven „Shitstorm“. Der CDU-Mann aus Bonn berichtet von „Bedrohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen“. Die Rede ist nicht von Einzelfällen. Sondern von Zehntausenden Mails, von Anrufen, von Kommentaren auf Twitter oder unter Youtube-Videos.

Auch vor übelsten Schimpfworten und Gewaltdrohungen scheuen die Kommentatoren nicht zurück, die Schlimmsten leitet der Abgeordnete an den Staatsschutz weiter. Voss sei „der am meisten gehasste Mann des Jahrhunderts“, schrieb ein wütender Absender. „Das bekommen Sie gar nicht beruhigt“, meint Voss entgeistert.

Beteiligung an Milliardengewinnen

Es geht bei dem, was der CDU-Mann im EU-Parlament verhandelt, nicht um Krieg oder Frieden, nicht um Tierschutz oder ein anderes Erregungsthema. Es geht Voss und seinen Mitstreitern darum, Kreative wie Schöpfer von Filmen, Videos, Musik, Bildern oder Texten an den Milliardengewinnen zu beteiligen, die Plattformen wie die Google-Tochter Youtube über den Umweg von Werbeschaltungen mit diesen Inhalten erzielen.

Bisher haften im Fall von Urheberrechtsverletzungen vor allem diejenigen, die Videos oder andere Inhalte den Plattformen zur Verfügung stellen. Die EU will dagegen die Internetgiganten, die Youtube und Facebook betreiben, dafür in die Verantwortung nehmen.

Die Initiative dafür geht auf den heutigen EU-Finanzkommissar Günther Oettinger (CDU) und das Jahr 2016 zurück, als Oettinger noch die EU-Zuständigkeit für Digitales hatte. Seitdem wurden die Gesetzesparagrafen hin und her verhandelt.

Youtuber versuchen Gesetzesvorhaben zu stoppen

Doch im Sommer dieses Jahres stieg Youtube-Chefin Susan Wojcicki persönlich in den Ring. In einer Videobotschaft warnte die Weggefährtin der Google-Gründer Larry Page und Sergej Brin davor, dass Millionen Youtube-Nutzer in der EU gehindert würden, dort Filme zu schauen, und Kanalbetreiber um ihr Geschäftsmodell bangen müssten. „Diese Gesetzgebung stellt eine klare Bedrohung für euren Lebensunterhalt und eure Möglichkeit dar, euch weltweit Gehör zu verschaffen“, warnte Wojcicki.

„Das hat die Internet-Gemeinde aufgescheucht“, meint Voss. Seitdem ist die Rede von der Beschneidung der Freiheit des Internets, von Zensur oder davon, dass Youtube abgeschaltet werden soll.

Ausgerüstet mit den Argumenten der Internet-Giganten, die zusätzlichen Aufwand bei der Kontrolle der hochgeladenen Videos und sonstigen Inhalte scheuen oder schlicht mit Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen, versuchen Internet-Aktivisten und Kanalbetreiber wie LeFloid (über drei Millionen Youtube-Abonnenten), Luca Scharpenberg (fast 3,5 Millionen) oder Rebekah Wing (knapp 1,5 Millionen), das Gesetzesvorhaben zu stoppen.

Meinungsmacht im Sinn der Internetgiganten

Mit werbegesponsorten Schminktipps, Lebenshilferezepten und Moderatschlägen erreichen die geschäftstüchtigen Influencer Millionen Kinder und Jugendliche. In diesem Fall setzen sie ihre Meinungsmacht im Sinn der Internetgiganten ein. Viele Kommentatoren, die gegen die Urheberrechtsrichtlinie Stimmung machen, verlinken auf die Seite saveyourinternet.eu.

Der Internet-Experte Volker Rieck, Geschäftsführer einer Firma, die sich für den Urheberrechtsschutz im Netz einsetzt, wurde bei der Suche nach den Betreibern der Seite in den USA fündig.

Organisiert werde die Kampagne von der Organisation Copyright for Creativity (C4C), die wiederum finanziert werde von der Computer & Communications Industrie Organization, wie Riek in der „Frankfurter Allgemeinen“ schreibt. Mitglieder dieses Industrieverbandes seien unter anderem die Internetkonzerne Amazon, Google, Facebook oder Mozilla.

Demonstration vor dem Brandenburger Tor

Wobei die Gemeinde keineswegs ausschließlich aus realen Personen besteht. Auch automatisiert versandte Mails würden in seinen Postfächern landen, berichtet Voss: „Damit soll der Eindruck erweckt werden, es handele sich um eine Graswurzel-Bewegung“, also um einen von einer breiten Basis getragenen Protest.

Bei einer Demonstration gegen die EU-Richtlinie am 24. Juni vor dem Brandenburger Tor in Berlin tauchten dann allerdings nur rund 150 Leute auf. CDU-Mann Voss spricht von einer „auf jeden Fall gesteuerten Kampagne“, hinter der die großen Plattformen stünden. Es werde bei dem Thema eben „mit allen Mitteln gekämpft“.

Mitte Dezember soll die neue Richtlinie zum Urheberrecht im Internet im EU-Parlament abschließend diskutiert werden, eine Entscheidung könnte „im Februar 2019“ fallen, so Voss – „hoffentlich“.

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