Das Geiseldrama von Teheran Das iranische Trauma der Amerikaner

Istanbul · Vor 40 Jahren begann das US-Geiseldrama im Iran, das die Welt 444 Tage in Atem hielt. Die Interpretation des Geschehens ist in beiden Staaten vollkommen unterschiedlich

 Iranische Studenten bei einer Pressekonferenz nach dem Sturm auf die US-Botschaft 1979.

Iranische Studenten bei einer Pressekonferenz nach dem Sturm auf die US-Botschaft 1979.

Foto: AP/GG

Als iranische Studenten am 4. November 1979 in die amerikanische Botschaft in Teheran eindrangen, wollten sie eigentlich nur ein paar Tage bleiben, um gegen die USA zu protestieren. Doch aus der Aktion wurde ein Geiseldrama, das 444 Tage dauerte. Die iranisch-amerikanischen Beziehungen vergiftet es bis heute. Nach wie vor schauen beide Seiten aus völlig verschiedenen Blickwinkeln auf das Ereignis – und bleiben in einem Teufelskreis aus gegenseitigen Verdächtigungen gefangen, der eine Annäherung verhindert.

Das Motiv für den Sturm auf die Botschaft lag in der langen Geschichte der amerikanischen Einmischung in die iranische Politik. Mehr als zwei Jahrzehnte vor der Besetzung der Botschaft, im Jahr 1953, hatten amerikanische Geheimdienstler mit britischer Hilfe einen Staatsstreich gegen den damaligen iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh organisiert, weil der Politiker die iranische Ölindustrie verstaatlicht und damit westliche Konzerne aus dem Land gejagt hatte. Schah Reza Pahlevi wurde durch den Putsch zum starken Mann des Landes und verfolgte einen pro-westlichen Kurs. Der Schah herrschte jedoch zunehmend autokratisch und unterdrückte seine Gegner brutal.

Als Pahlewi Anfang 1979 wegen wachsender Proteste aus Teheran fliehen musste, erhielt er vom damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter eine Einreisegenehmigung, um sich in Amerika einer Krebsbehandlung zu unterziehen. Viele Iraner sahen Carters Entscheidung nicht als humanitäre Geste, sondern als Zeichen, dass die USA einen neuen Putsch in Teheran planten. Die Studenten wollten mit der Besetzung der US-Botschaft die Auslieferung des Ex-Monarchen erzwingen.

Keine langwierige Geiselnahme geplant

Teilnehmer der Aktion von damals sagen, sie hätten keine langwierige Geiselnahme geplant. Der ehemalige Studentenführer Ebrahim Asgharzadeh sagte der Nachrichtenagentur AP vor dem Jahrestag, er und seine Mitstreiter hätten nur einen zweitägigen Sitzstreik veranstalten wollen. Doch dann unterstützte Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Khomeini die Besetzung – aus der Studentenaktion wurde eine Staatsaffäre und der Beginn einer Dauerkrise. Im April 1980 schlossen die USA die iranische Botschaft in Washington. Bis heute haben die beiden Länder keine diplomatischen Beziehungen.

Machtlos verfolgten die Amerikaner das Schicksal von anfangs mehr als 60 Diplomaten, Soldaten und Botschaftsmitarbeitern in der Botschaft. US-Medienberichten zufolge wurden die Geiseln geschlagen und mit Scheinhinrichtungen gequält. Es gab mehrere Selbstmordversuche. Nachdem Khomeini die Freilassung aller Frauen und Afro-Amerikaner anordnete, saßen immer noch 53 US-Bürger in Gefangenschaft, die spätere Entlassung einer Geisel aus Krankheitsgründen brachte die Zahl auf 52. Ein militärischer Befreiungsversuch der USA im April 1980 scheiterte auf blamable Weise. Die Geiselaffäre spielte eine wesentliche Rolle bei Carters Niederlage gegen Ronald Reagan bei der Präsidentenwahl im November 1980.

USA gaben iranische Milliarden frei

Nach langen Verhandlungen hinter den Kulissen kamen die Geiseln am 20. Januar 1981 frei und wurden nach Deutschland ausgeflogen – wenige Stunden nach Reagans Amtseinführung. Als Gegenleistung für die Freilassung gaben die USA eingefrorene iranische Konten mit einem Gesamtvermögen von knapp acht Milliarden Dollar frei. Zudem verpflichtete sich Washington, sich nicht mehr in die inneren Angelegenheiten Irans einzumischen.

Doch eine Versöhnung blieb aus. Bis heute ist der Iran für die amerikanische Politik der große Gegner im Nahen Osten. Zum 40. Jahrestag des Geiseldramas beklagte das US-Außenamt jetzt „die lange Geschichte des bösartigen Verhaltens des iranischen Regimes“.

US-Präsident Donald Trump fährt einen Kurs des „maximalen Drucks“, um den Iran wirtschaftlich in die Knie zu zwingen und die Regierung in Teheran zu Zugeständnissen in der Atompolitik und bei regionalen Konflikten in Nahost zu bewegen. Auch wenn Trump selbst immer wieder versichert, er strebe keinen Regimewechsel in Teheran an, vermittelt seine Regierung den Eindruck, dass sie im Sturz der Islamischen Republik die Lösung aller Probleme sieht.

Kein Weg aus der Sackgasse

„Aus Sicht der Amerikaner beginnt und endet die Geschichte der amerikanisch-iranischen Beziehungen mit dem Geiseldrama“, schrieb der Kolumnist und Iran-Kenner Stephen Kinzer in der Zeitung „Boston Globe“ aus Anlass des Jahrestages. „Die Iraner sehen die Geschichte völlig anders – nämlich als Folge des Putsches von 1953.“ Auch 40 Jahre nach Beginn des Geiseldramas haben USA und Iran keinen Weg aus dieser Sackgasse gefunden.

(Von Thomas Seibert)
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