Interview mit Aktienexpertin Karin Baur „Abwarten bis wieder Ruhe einkehrt“

Interview · Die Aktienexpertin der Stiftung Warentest rät trotz rasanter Kursänderungen zur Geduld und einer guten Aufteilung zwischen Geldanlagen.

 Ein Wertpapierhändler blickt auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse vor der Anzeigetafel mit der Dax-Kurve auf seine Monitore.

Ein Wertpapierhändler blickt auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse vor der Anzeigetafel mit der Dax-Kurve auf seine Monitore.

Foto: dpa/Arne Dedert

Ob Aktien oder Kryptowährungen: An den Börsen geht es derzeit teilweise rasant bergab. Wie es weiter geht, weiß niemand. Im Interview mit Wolfgang Mulke spricht Aktienexpertin Karin Baur von der Stiftung Warentest über Zurückhaltung und über riskante und sichere Geldanlagen.

Wenn die Zinsen steigen, sinken die Aktienkurse, heißt es. Es deutet sich nun an, dass zumindest in den USA die Zinsen über einen längeren Zeitraum angehoben werden. Müssen sich Kleinanleger nun auf anhaltend sinkende oder stagnierende Kurse einstellen?

Karin Baur: Das ist schwierig vorherzusagen. Den Effekt gibt es, aber das heißt nicht, dass steigende Kurse nun ausgeschlossen sind. Wenn die Zinsen steigen, haben Unternehmen zwar höhere Kosten, aber wenn sie trotzdem noch gute Gewinne einfahren, dann können auch die Kurse steigen. Wenn nicht, macht es sich natürlich negativ bemerkbar. Bei steigenden Zinsen wird aber auch Geld aus dem Markt genommen. Anleger gehen zum Beispiel wieder vermehrt in Zinsanlagen. Auch das spielt eine Rolle. Daher lässt sich nicht sicher sagen, dass es jetzt in die eine oder die andere Richtung geht. Früher, als die Zinsen für Staatsanleihen noch bei 5 Prozent waren, sind Aktienkurse auch gestiegen.

Ist es womöglich besser, Aktien nun zu verkaufen? Oder ist dieser Kurssturz eher ein guten Zeitpunkt einzusteigen?

Baur: Wir raten, jetzt nicht überstürzt zu handeln. Es ist unmöglich, immer den richtigen Zeitpunkt für den Ein- oder Ausstieg zu treffen. Das schaffen selbst Profis nicht. Gut ist es, wenn man einen Sparplan hat. Dann hat man automatisch verschiedene Zeitpunkte, wenn man monatlich einzahlt. Das lässt sich auch mit großen Beträgen machen, wenn man sie beispielsweise auf vier oder acht Einzahlungen verteilt. Ob Aussteigen jetzt gut ist, weiß auch niemand. Im November sind die Kurse auch kurzfristig schnell gefallen und anschließend wieder hoch gegangen. Man sollte seine Strategie jetzt einfach beibehalten. Das vergangene Jahr zählte zu den zehn besten Börsenjahren seit 1970. Da kann es gut sein, dass es in diesem Jahr mal schlechter läuft. Ein Grund zur Panik ist das nicht.

Was bleibt Anlegern übrig, wenn es an den Börsen bergab geht, die Zinsen für sichere Anlagen aber weit niedriger sind als die Inflationsrate?

Baur: Grundsätzlich ist eine Mischung aus Aktien und Zinsanlagen gut und sinnvoll, auch wenn es keine oder kaum Zinsen gibt. Diese verschiedenen Geldanlagen reagieren auf die Weltlage unterschiedlich. Zusammen ergibt dies eine vergleichsweise inflationssichere Mischung.

Kryptowährungen wurden von ihren Fans gerne als Inflationsschutz angepriesen. Beweist der aktuelle Wertverfall nicht genau das Gegenteil?

Baur: Von einem Beweis würde ich nicht sprechen wollen. Kryptowährungen sind relativ neu und ihnen wurden einige Eigenschaften zugeschrieben, ohne dass man genau wusste, welche Eigenschaften sie eigentlich haben. Sie seien das neue Gold, hieß es zum Beispiel. Das ist Quatsch. Im Moment ist Gold gefragt, Kryptowährungen nicht. Man muss den Kryptowährungen etwas Zeit geben, bevor die Eigenschaften beurteilt werden können. Wir raten generell von Bitcoin und Co. ab. Es sind hochspekulative Anlagen.

Würde ein Krieg in der Ukraine die Märkte weiter in die Tiefe stürzen?

Baur: Auch dies ist schwer zu sagen. Anscheinend zieht die Sorge vor einem Krieg die Kurse jetzt schon nach unten. Dann wäre ein Krieg womöglich schon eingepreist. Doch die Unsicherheit ist da und das mögen Börsianer nicht.

Zu welcher Strategie rät Finanztest in der aktuellen Situation?

Baur: Es ist nicht gut, in eine Korrektur hinein zu verkaufen. Besser ist es abzuwarten, bis wieder Ruhe eingekehrt ist. Oft gibt man eine Verkaufsorder auf und bis sie ausgeführt wird, ist der Kurs weiter gesunken.Wenn jemand partout vor Sorge nicht mehr schlafen kann, kommt die Reißleine als letztes Mittel in Betracht. Generell raten wir aber dazu, auch schlechte Börsenzeiten einmal auszusitzen und nie alles Geld auf eine Karte zu setzen. Die Hälfte des Vermögens ist in Zinsanlagen gut aufgehoben, die andere Hälfte kann mit Aktien auf lange Sicht eine gute Rendite erzielen. Wer einen langfristigen Anlagehorizont hat ist mit Sparplänen gut aufgestellt.

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