Arbeitsmarkt in der Corona-Krise Anträge auf staatliches Kurzarbeitergeld steigen so rasant wie nie

Berlin · Noch nie gab es so viele Anträge auf Kurzarbeitergeld. Die Regierung verspricht, dass die staatlichen Hilfen kein Limit hätten. Noch will man aber keine weiteren Mittel bereitstellen.

 Nicht nur Autozulieferer wie Schaeffler haben Kurzarbeite angemeldet. Praktisch alle Branchen haben weniger Aufträge.

Nicht nur Autozulieferer wie Schaeffler haben Kurzarbeite angemeldet. Praktisch alle Branchen haben weniger Aufträge.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnen in der Corona-Krise mit weit mehr Kurzarbeitern als während der Finanzkrise 2009, als bis zu 1,4 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt worden sind. Die Anträge auf staatliches Kurzarbeitergeld seien in den vergangenen vier Wochen so rasant angestiegen wie noch nie, berichtete BA-Chef Detlef Scheele am Dienstag in Berlin. Bisher hätten rund 470.000 Unternehmen Kurzarbeit beantragt. Noch im Februar seien es erst gut 2000 gewesen.

Das Kurzarbeitergeld soll die Zeit der Rezession überbrücken, wird von der BA ausgezahlt und beträgt bei Kinderlosen 60 Prozent des Verdienstausfalls, bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. Die BA übernimmt auch die Sozialbeiträge auf bis zu 80 Prozent des normalen Gehalts. Betriebe müssen das Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiter zunächst bei der BA anzeigen. Wie hoch die Zahl derer ist, die es dann beziehen, kann die BA erst nach drei Monaten feststellen, wenn die Betriebe ihre Abrechnungen vorlegen müssen. Zur Bewältigung der Antragsflut stockt die BA die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich von 770 auf 4500 auf. Die Mitarbeiterzahl an der Telefon-Hotline wird von 4000 auf 18.000 erhöht.

Keine seriösen Prognosen

Unter den Antragstellern seien neben dem produzierenden Gewerbe jetzt auch viele Unternehmen aus dem Gastgewerbe und dem Handel, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Wie viele Beschäftigte insgesamt von Kurzarbeit betroffen sind, lasse sich noch nicht seriös sagen. Die Zahl werde aber höher sein als in der Finanzkrise vor gut zehn Jahren. Der CDU-Arbeitsmarktexperte Peter Weiß hält über vier Millionen Kurzarbeiter für möglich. „Die Anzeigen von Kurzarbeit steigen so dramatisch, dass wir auf jeden Fall die Rekordzahl vom März 2009 weit übertreffen, möglicherweise verdreifachen werden“, sagte Weiß.

Heil betonte, dass betroffene Beschäftigte mit den Regelungen zum Kurzarbeitergeld ihren Job behalten könnten und die Wirtschaft die Chance habe, nach der Krise wieder hochzufahren. Insgesamt sei damit zu rechnen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland erstmals seit Längerem wieder steigen werde. „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, der in dieser Situation gefährdet ist“, sagte Heil. Es sei aber nicht jeder einzelne Arbeitsplatz zu beschützen. Der Minister verwies daher auch auf erleichterte Regelungen für den Zugang zur Grundsicherung und für Hinzuverdienste für Kurzarbeiter. Wer etwa in einer Wäscherei angestellt sei und Kurzarbeitergeld bekomme, dürfe etwa in der Wäscherei eines Krankenhauses arbeiten und dort Geld hinzuverdienen.

Geld kein limitierender Faktor

Das Geld sei in dieser Krise „kein limitierender Faktor“, betonte BA-Chef Scheele. Auf Kurzarbeitergeld bestehe ein Rechtsanspruch. Die Bundesagentur verfüge über eine Rücklage von 26 Milliarden Euro. Bislang habe man für die Kurzarbeit in der Corona-Krise ein Budget von zehn Milliarden Euro eingeplant. Zum Vergleich: Das Kurzarbeitergeld in der Finanzkrise 2009 kostete insgesamt rund fünf Milliarden Euro. Reichten die Mittel nicht aus, könne man sich weiteres Geld vom Bund holen, so Scheele. 100.000 Kurzarbeiter kosteten pro Monat bei einem Arbeitsausfall von 50 Prozent rund 79 Millionen Euro.

Heil lehnte weitere soziale Erleichterungen vorerst ab. Die Linken und die Grünen hatten gefordert, das Kurzarbeitergeld und die Hartz-IV-Sätze anzuheben. Zudem fordern Wirtschaftsvertreter, die BA solle bei Unternehmen, die das Gehalt der Kurzarbeiter aufstocken, die Sozialbeiträge komplett auch für alle Aufstockungsbeträge übernehmen. Die Zusagen des Staates seien schon sehr weitgehend, sagte Heil.

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