Streaming-Dienst "Apple Music" Apple will die Musik bestimmen

BONN · Musik herunterladen ist unmodern geworden. Der Kauf von digitaler Musik ist zu teuer geworden, seit Streaming den Ton angibt. Für eine monatliche Pauschale lässt sich hier so viel Musik auf Computer, Tablet oder Smartphone hören, wie das Ohr zulässt.

Spotify ist der Branchenführer, auf 60 Millionen Nutzer hat sich die tägliche Nutzung seit der Gründung im Jahr 2006 mittlerweile gesteigert. Die Konkurrenz von Deezer, Napster oder Tidal tut ihr übriges, um Musik-Downloads immer überflüssiger erscheinen zu lassen.

Ein einziger Titel kostet hier bis zu 99 Cent - ein kleines Vermögen im Streaming-Zeitalter, in dem Monatsabos für mehrere Millionen Songs meist keine zehn Euro kosten. Um 78,6 Prozent legten Streamingangebote laut Bundesverband Musikindustrie im vergangenen Jahr zu.

Am meisten Schaden nimmt bei dieser Entwicklung: Apple. Mit ihrem "iTunes"-Portal sind die Kalifornier Primus im Download-Bereich, doch das Geschäft geht immer mehr zurück. Höchste Zeit für Apple also, auch in den neuen Musikmarkt zu drängen.

800 Millionen registrierte Nutzer hat Apple bislang bei iTunes. Am Montagabend nun kündigte Chef Tim Cook auf der Entwicklerkonferenz WWDC in San Francisco "Apple Music" als "One More Thing" an. Als große Sache, wie einst Appe-Ikone Steve Jobs bedeutende Neuvorstellungen stets anpries.

Ab 30. Juni wird "Apple Music" in 100 Ländern starten. Ob Deutschland gleich zu Beginn dabei sein wird, gab das Unternehmen noch nicht bekannt. Die Reaktion des bisherigen Marktführers: "Oh ok." So einsilbig schrieb's Spotify-Chef Daniel Ek auf Twitter.

Mazen HAYEK (@HayekMG) 9. Juni 2015Der Beitrag war schnell wieder gelöscht, die neue Konkurrenz aber bleibt. Gänzlich überraschend kommt das neue Produkt natürlich nicht. Spätestens seit Apple im vergangenen Jahr drei Milliarden Dollar investierte, um den Anbieter Beats Music zu übernehmen, war dieser Einstieg erwartet worden.

Auch "Apple Music" selbst ist keine allzu innovative Entwicklung, wie sie die Apfel-Produkte einst ausmachten. Vieles hat man in ähnlicher Form schon woanders gesehen, wenn auch nicht so aufgeräumt und hübsch.

Wie Apples Musikkatalog im Detail aussehen wird, konnten die Apple-Manager noch nicht sagen, auch weil Verhandlungen mit Plattenlabels nicht abgeschlossen sind.

Für knapp zehn Dollar im Monat bekommen die Kunden jedenfalls unbegrenzten Zugriff auf 30 Millionen Songs. Ähnliche Preise verlangen auch Spotify und Co. Einzig in Familienkreisen könnte sich "Apple Music" als Schnäppchen erweisen.

Statt für jedes einzelne Familienmitglied ein eigenes Abo abschließen zu müssen, bietet Apple für knapp 15 Dollar ein Familien-Paket an, bei dem auch die Musikvorlieben individuell gepflegt werden können. Beim "Family"-Tarif von Spotify muss dagegen jedes zusätzliche Familienmitglied noch den halben Abo-Preis zahlen.

Apples Konkurrenz auf dem Streaming-Markt

Beim Streaming werden die Songs direkt aus dem Netz abgespielt. Es gibt zwei Geschäftsmodelle: Abo-Angebote, bei denen man unbegrenzt auf Millionen Songs zugreifen kann, und werbefinanzierte Gratis-Varianten mit Einschränkungen. Apple setzt auf ein Abo-Modell, kostenlos gibt es nur ein Internet-Radio.

Im vergangenen Jahr machten die Erlöse aus Abo-Angeboten mit 1,57 Milliarden Dollar erst gut zehn Prozent der weltweiten Umsätze im Musikgeschäft aus. Wenn Musik gekauft wird, wird das Geld nach wie vor meist für CDs ausgegeben. Alle Anbieter zusammen hatten nach Zahlen des Branchenverbandes IFPI 41 Millionen Abo-Kunden, das war ein Sprung von 46 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Beim Marktführer Spotify ist jeder Vierte der mehr als 60 Millionen Nutzer ein zahlender Abo-Kunde. Beim französischen Rivalen Deezer sind es sechs von 16 Millionen. US-Anbieter Rhapsody mit Napster, der wie Apple ein Abo-Angebot hat, kam 2014 auf 2,5 Millionen Nutzer.

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