Chaos an den Flughäfen Nur 145 statt 2000 Helfer aus der Türkei kommen

Berlin · 2000 Helfer sollten überlasteten Flughäfen in Deutschland kurzfristig in der Ferienzeit helfen. Jetzt kommen nur 145. Ein Flop? Nicht unbedingt. Manches Problem hat sich inzwischen erledigt.

 Reisende gab es zuletzt an Flughäfen genug. Was fehlte, war Personal, das im Hintergrund schuftet.

Reisende gab es zuletzt an Flughäfen genug. Was fehlte, war Personal, das im Hintergrund schuftet.

Foto: dpa/Jae C. Hong

Es klang einfach und praktikabel: Deutschlands Flughäfen und Flugzeugabfertiger stellen für drei Monate Beschäftigte aus der Türkei ein und verhindern so in der Ferienzeit, was sich an einigen Flughäfen Ende Juni andeutete: Kofferstapel, lange Schlangen, verspätete Flüge. Jetzt enden die Ferien in einigen Bundesländern bereits, von den Arbeitskräften hat bisher aber keiner angefangen.

„Aus der Türkei werden 145, vielleicht 150 Mitarbeiter kommen, um zu helfen“, sagt Thomas Richter, Präsident des Arbeitgeberverbands der Bodenabfertigungsdienstleister und einer der treibenden Kräfte hinter der Idee. „Sie werden an den Flughäfen Nürnberg und München eingesetzt.“ Das sei deutlich weniger, als ursprünglich gedacht. Von einem Flop will Richter nicht sprechen. „Es war immerhin eine Idee, um die akuten Probleme zu lösen.“ Der erste Mitarbeiter packt offenbar kommende Woche in Nürnberg mit an.

Im Juni steuerte die Luftverkehrsbranche auf einen chaotischen Sommer zu. Fluggesellschaften fehlte ebenso Personal wie Flughäfen und Bodendienstleistern, deren Mitarbeiter etwa Koffer be- und entladen, Busse vom Terminal zum Flieger fahren oder die Flugzeuge aus der Parkposition manövrieren. Während der Corona-Krise hatten viele Unternehmen gespart, ihre Belegschaften verringert. Diesen Sommer wollte die Branche wieder durchstarten, doch viele Mitarbeiter kamen nicht zurück, weil sie andere Arbeit gefunden hatten. Die Deutschen wollten aber in Scharen in den Urlaub fliegen.

Fluggesellschaften wie Easyjet und Lufthansa strichen in großem Umfang Flüge, um halbwegs verlässlich fliegen zu können. An den Flughäfen bildeten sich lange Schlangen an den Check-ins, Passagiere verpassten ihre Flüge, heimatlose Koffer stapelten sich. In Düsseldorf kam es zu Szenen, die manche Experten als schlimmer schilderten als alles, was im Chaossommer 2018 im maroden und viel zu kleinen Berliner Flughafen Tegel geschah. Auch in Köln/Bonn und am Frankfurter Flughafen gab es große Probleme.

Bundesregierung genehmigte den Plan Anfang Juli

Eine Idee, um den Engpass beim Bodenpersonal auszugleichen: Beschäftigte aus der Türkei, die am Flughafen in Istanbul arbeiten oder gearbeitet haben, befristet nach Deutschland zu holen. Die Bundesregierung genehmigte den Plan pauschal am 6. Juli. Zunächst war von bis zu 2000 Helfern die Rede. „Die Zahl hat der türkische Dienstleister, der bei der Rekrutierung hilft, als maximal möglich angegeben“, sagt Richter. Der erste Bedarf in Deutschland waren rund 1300. Es sei um „helfende Hände“ für das Be- und Entladen von Flugzeugen gegangen.

Im Lauf der Zeit schrumpfte der Bedarf auf 450 bis 500, weil es den Unternehmen gelang, auch in Deutschland mehr Personal zu finden. Geholfen haben offenbar einige Tarifabschlüsse, die vor allem für die unteren Lohngruppen mehr Geld vorsehen. Noch vergangene Woche war von 250 türkischen Arbeitskräften die Rede. Vor einigen Tagen sprang, wie zu hören ist, der Flughafen Frankfurt ab – kein Bedarf mehr.

„Die Lage an vielen Flughäfen hat sich auch entspannt, weil die Zulassungsprozesse unter anderem wegen der türkischen Helfer beschleunigt wurden. So dauert die nötige Zuverlässigkeitsprüfung nicht mehr bis zu zwölf Wochen, sondern ist teils nach zwei Wochen beschieden“, sagt Richter. Deshalb konnten Mitarbeiter vor Ort, die noch in der Überprüfung steckten, zügiger eingesetzt werden.

Visum und Prüfungen – eine Angelegenheit von Wochen

Nicht nur der Bedarf an den Flughäfen schrumpfte. Das Projekt dauerte auch etwas. „Wer glaubte, dass der erste türkische Helfer einen Tag nach der Genehmigung durch die Bundesregierung in Deutschland anfängt, war naiv“, sagt Richter. Allein der Visumsantrag benötige eine Woche. Dazu kommt dann noch die Zuverlässigkeitsprüfung, die unter anderem ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis sowie lückenlose Nachweise über die Arbeitsstätten der vergangenen fünf und die Wohnsitze der vergangenen zehn Jahre erfordert.

Ob es jetzt ruhiger wird, ist unklar. Der Flughafen Düsseldorf verkündete bereits, die Probleme würden sich noch hinziehen. In München laufen noch Tarifverhandlungen mit einem Bodendienstleister, es gab diese Woche Warnstreiks. Die Piloten der Lufthansa haben sich grundsätzlich für einen Arbeitskampf entschieden, bisher ist kein Termin bekannt. Auch hier gibt es Tarifverhandlungen. Und die Engpässe bei den Sicherheitskontrollen sind noch nicht behoben.

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