Christian Olearius in Bonn vor Gericht Der Cum-Ex-Prozess und die zwei Treffen mit Olaf Scholz
Bonn · Der ehemalige Banken-Chef Christian Olearius muss sich in Bonn wegen schwerer Steuerhinterziehung verantworten. Es geht um 280 Millionen Euro und auch um zwei Treffen mit Olaf Scholz, der damals Erster Hamburger Bürgermeister war.
Christian Olearius ist der derzeit wohl prominenteste Angeklagte Deutschlands. Seit diesem Montag muss sich der 81-jährige Hamburger Bankier und Chef der traditionsreichen Privatbank M. M. Warburg vor der 13. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht unter dem Vorsitz von Richterin Marion Slota-Haaf wegen seiner führenden Rolle bei der Durchführung von illegalen Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2006 bis 2013 verantworten.
14 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung wirft ihm die federführende Kölner Staatsanwaltschaft vor. Zweimal soll es bei dem Versuch geblieben sein. Der entstandene Steuerschaden soll sich auf knapp 280 Millionen Euro belaufen.
Noch prominenter als der Angeklagte ist allerdings ein Mann, dessen Name gleich mehrfach in der Anklage auftaucht: Olearius soll nämlich in der Politik der Hansestadt bestens verdrahtet gewesen sein und versucht haben Einfluss auf Entscheidungsträger auf allen Ebenen zu nehmen, wie es in der Anklage heißt. Dazu gehören auch zwei Treffen mit dem damaligen Ersten Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz in den Jahren 2016 und 2017 in dessen Büro im Hamburger Rathaus.
Anklage birgt juristischen und politischen Sprengstoff
Die ersten 13 Anklagepunkte beziehen sich auf die Rolle Olearius‘ bei den Cum-Ex-Deals zwischen 2006 und 2013: Als größtem Anteilseigner und persönlich haftendem Gesellschafter soll sich Olearius im Detail mit dem von ihm als „steuereffizient“ beschriebenen, aber illegalen Geschäftsmodell befasst haben, heißt es in der Anklage. Er habe die Geschäfte abgesegnet, sei in alle Planungen und Abläufe eingebunden gewesen und habe zudem alle Steuererklärungen unterzeichnet.
Nicht nur juristischen, sondern auch politischen Sprengstoff birgt aber der letzte Anklagepunkt: Mit der Frage, ob es den Versuch einer politischen Einflussnahme auf die Hamburger Steuerverwaltung gab, mussten sich bereits Untersuchungsausschüsse in Bundestag und in der Hamburgischen Bürgerschaft befassen. Die Kölner Staatsanwälte gehen in ihrer Anklageschrift jedenfalls davon aus. Mit einer verzerrten Darstellung der Sachverhalte habe Olearius versucht, Rückzahlungen zu vermeiden. So soll Olearius gesagt haben, bei den Geschäften seiner Bank handele es sich gar nicht um Cum-Ex-Geschäfte im eigentlichen Sinne. Außerdem soll er die wiederholt vor einer Existenzgefährdung seiner Bank gesprochen haben, die es in der Realität gar nicht gab, heißt es in der Anklage.
Nach den Gesprächen zwischen Olearius und Scholz hatte die Hamburger Finanzverwaltung zunächst auf die Rückforderungen von 47 Millionen Euro verzichtet. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst auf Weisung des Bundesfinanzministeriums eingefordert. Mittlerweile hat Warburg das aus den Cum-Ex-Geschäften widerrechtlich erlangte Geld an die Staatskasse zurückgezahlt.
Das Foyer des Landgerichts glich am Montag zeitweise eher dem Newsroom einer Zeitung oder eines großen Fernsehsenders – das Interesse an der Verhandlung war insbesondere wegen der möglichen Einflussnahme Olearius‘ auf Olaf Scholz gigantisch. „Was werden Sie heute Abend in ihr Tagebuch schreiben?“, fragte ein Medienvertreter den Angeklagten in einer Verhandlungspause provokativ. Die drei Treffen im Rathaus waren nämlich erst nach der Veröffentlichung von Tagebucheinträgen des Angeklagten öffentlich bekannt geworden, die der Bankier gemacht hatte. Die Bücher waren von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Eine Antwort blieb aber erwartungsgemäß aus.
Knapp drei Stunden dauerte die Verlesung des 53 Seiten starken Anklagesatzes, erst dann hätte der Angeklagte zu Wort kommen können. Ein Part, den aber an Olearius‘ Stelle sein Anwalt, der ehemalige CSU-Bundespolitiker Peter Gauweiler übernahm: „Dr. Olearius wird sich zu den Vorwürfen einlassen“, hatte der auf die entsprechende Frage der Vorsitzenden Richterin geantwortet. Das wird allerdings erst ab dem nächsten Verhandlungstag am kommenden Mittwoch geschehen. Das Gericht hat zunächst 28 Verhandlungstage bis in den kommenden März für das Verfahren angesetzt. Im Falle einer Verurteilung droht Olearius im für ihn schlimmsten Fall eine Gesamtfreiheitsstrafe von maximal 15 Jahren.