Plädoyers im Cum-Ex-Prozess Neun Jahre Haft für Hanno Berger gefordert

Bonn · Im Fall des Steueranwalts Hanno Berger, der mit Cum-Ex-Geschäften Millionen verdient haben soll, sind am Dienstag vor dem Bonner Landgericht die Plädoyers gehalten worden. Die Verteidigung wird dabei philosophisch.

 Hanno Berger bei einem Gerichtstermin im vergangenen Sommer.

Hanno Berger bei einem Gerichtstermin im vergangenen Sommer.

Foto: picture alliance/dpa/Arne Dedert

„Cum Ex ist der blanke Griff in die Staatskasse“, sagte Jan Schletz gegen Ende seines Plädoyers. In einem Aufsehen erregenden Wirtschaftsstrafverfahren hatte der Sitzungsvertreter der Kölner Staatsanwaltschaft kurz zuvor neun Jahre Haft für den angeklagten früheren Steueranwalt Hanno Berger gefordert. Außerdem soll Berger gemeinsam mit einem ehemaligen Kanzleipartner rund 27,3 Millionen an Taterträgen zurückzahlen. „Hier wurden Aktien im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro bewegt“, hatte Schletz in seinem relativ kurzen Plädoyer herausgestellt. Mit einem Modell kreativer Steuergestaltung habe das doppelte Kassieren nur einmal gezahlter Steuern nichts zu tun. Bergers Behauptung, er sei lange Zeit von der Legalität der Cum-Ex-Geschäfte überzeugt gewesen, sei „eine Schutzbehauptung“, so Schletz.

Es war der 32. Verhandlungstag in dem Mammutverfahren, das am 4. April dieses Jahres begonnen hatte. Nach dem Verlesen diverser Urkunden, in denen es insbesondere auch um die Einziehung von gut 13 Millionen Euro an Taterträgen ging, die Bergers früherer Kompagnon über einen Treuhänder gerade erst gezahlt hatte, schloss der Vorsitzende Richter Roland Zickler die Beweisaufnahme. Der 50-jährige Kanzleipartner galt einmal als rechte Hand des Angeklagten; er arbeitet mittlerweile als eine Art Kronzeuge intensiv mit den Ermittlern zusammen. Gemeinschaftliche besonders schwere Steuerhinterziehung in drei Fällen wird Berger von der auf die illegalen Cum-Ex-Deals spezialisierten Abteilung der Kölner Staatsanwaltschaft unter der Leitung von Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker vorgeworfen. Er soll den deutschen Fiskus zwischen Januar 2007 und Oktober 2013 um insgesamt rund 278 Millionen Euro gebracht haben. Als Berater soll der damalige Steueranwalt die Chefs der Hamburger Privatbank MM Warburg mit Fachleuten aus Hypovereinsbank und einer britischen Finanzfirma zusammengebracht haben, um das von ihm entwickelte Cum-Ex-Geschäftsmodell umzusetzen. Über Scheinrechnungen und Briefkastenfirmen soll Bergers Kanzlei so rund 27 Millionen Euro eingenommen haben.

„Die Beweisaufnahme hat die Vorwürfe der Anklage weitgehend bestätigt“, begann Staatsanwalt Schletz sein Plädoyer. „Er wusste um die Struktur der Geschäfte“, fuhr er fort. In den Jahren 2007 bis 2011 habe er die Spitze der Hamburger Privatbank M. M. Warburg hinsichtlich der illegalen Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag beraten, nachdem er das Geschäftsmodell der Bankenführung unter Christian Olearius und Max Warburg sowie einem zwischenzeitlich verurteilten Topmanager vorgestellt hatte. Der Angeklagte habe dem Bankhaus Cum-Ex „beigebracht“, sagte der Staatsanwalt. Olearius ist seit diesem Sommer ebenfalls wegen schwerer Steuerhinterziehung in mehreren Fällen vor dem Bonner Landgericht angeklagt.

Berger hatte sich im Laufe des Verfahrens immer wieder gewunden und versucht, das Gericht von seiner Sichtweise zu überzeugen. Anfang August folgte dann ein Art Minimalwende: Das Jahr 2009 habe für ihn eine Zäsur dargestellt, weil ihm nach einem Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums an die Finanzämter erstmals klar geworden sei, dass seine Rechtsauffassung zumindest nicht die einzig in Frage kommende war. Bis dato hatte er den Standpunkt vertreten, dass es sich bei den Deals um die legale Nutzung einer Gesetzeslücke handele. Dass seine Einlassung tatsächlich ein Geständnis sein sollte, musste der Angeklagte dem Gericht aber am folgenden Verhandlungstag noch einmal explizit darlegen.

Dem „Teilgeständnis“ maß der Staatsanwalt jedenfalls letztlich nur eine geringe strafmildernde Wirkung zu, genauso wie den misslichen Haftbedingungen aufgrund eines weiteren vor dem Frankfurter Landgericht parallel laufenden Verfahrens gegen Berger. Der Strafrahmen für schwere Steuerhinterziehung reicht bis maximal zehn Jahre.

Auch Bergers „hohe krimineller Energie“ betonte Schletz: Von der Allgemeinheit habe er genommen und „sich selbst und den Reichen gegeben“. Die Einnahmen habe Berger in einen aufwendigen Umbau seines Privathauses, eine holzverarbeitende Firma sowie in Schweizer Immobilien investiert.

Von der Allgemeinheit genommen und den Reichen gegeben

Verteidiger Richard Beyer mochte in seinem Plädoyer hinsichtlich der Strafzumessung keine „Ziffer in den Raum stellen“. „Ich habe ein tiefes Vertrauen in die Güte des Gerichts“, ließ er Zickler und seine Kollegen wissen. Zuvor hatte er unter den amüsierten Blicken der Beteiligten den großen philosophischen Bogen von Platons Höhlengleichnis bis zu Ovid geschlagen, um dann schließlich auf den Punkt zu kommen. So reiche der Zeitraum einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung nur von Mai 2009 bis Ende 2010. Vorher habe Berger subjektiv ohne Vorsatz gehandelt. „Ab dem Jahr 2009 handelte er mit Vorsatz, im Jahr 2011 hat er nicht mehr mitgewirkt.“

Das Gericht will nun am kommenden Dienstag, 13. Dezembern ein Urteil verkünden.

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