Sabine Lautenschläger Drittes Direktoriumsmitglied der EZB legt Amt nieder

Frankfurt · Das deutsche Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger hat die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank öfter kritisiert. Jetzt geht sie. Die Folgen der Niedrigzinsen spüren deutsche Sparer

 Sabine Lautenschläger, Direktoriumsmitglied der EZB, legt ihr Amt nieder.

Sabine Lautenschläger, Direktoriumsmitglied der EZB, legt ihr Amt nieder.

Foto: Marc Tirl/Archiv

Sabine Lautenschläger ist schon das dritte deutsche Direktoriumsmitglied in der Geschichte der Europäischen Zentralbank, das vorzeitig das Amt niederlegt. Am Mittwochabend hatte die EZB mitgeteilt, die 55-Jährige scheide Ende Oktober aus, sie war eigentlich bis Ende Januar 2022 bestellt. Gründe wurden in der Mitteilung nicht genannt. Allerdings heißt es, so berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, sie habe in einer internen Mitteilung von einer "schwierigen Entscheidung" gesprochen, die in ihrer Lage "die beste Vorgehensweise" sei. Sollten es nicht private Gründe sein, die sie zu diesem Schritt bewogen haben, so befindet sie sich damit in der Tradition von Jürgen Stark, der 2011 aus Protest gegen die Anleihekäufe zurücktrat. Zuvor hatte schon der damalige Bundesbankpräsident Axel Weber aus demselben Grund sein Mandat niedergelegt - er war über sein Amt automatisch Mitglied des EZB-Rates. Jörg Asmussen, ebenfalls Direktoriumsmitglied, schied 2011 jedoch aus anderen Gründen aus, er wechselte als Staatssekretär in die Bundesregierung.

Kritik an Anleihekäufe der Notenbank

Die EZB-Direktorin hatte sich immer wieder kritisch zu den Anleihekäufen der Notenbank geäußert. Deshalb zeigten sich EZB-Beobachter auch überrascht von ihrem Schritt, so etwa Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland: "Sie sieht eigentlich nicht so aus wie jemand, der frühzeitig aufgibt. Sie ist auch jemand, der zwar immer Kritik geäußert hat, vor allem gegen das Anleihekaufprogramm. Aber man hat keine Anzeichen gesehen, dass sie jetzt wirklich so ein hohes Frustniveau hat, dass sie kurzfristig eigentlich alles hinschmeißen würde."

Lautenschläger war zudem nicht die einzige, die im EZB-Rat, dem Gremium, das die geldpolitischen Beschlüsse fasst, gegen die jüngsten Beschlüsse der EZB argumentierte. Neben ihr hatten sich auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann als auch die Notenbankpräsidenten der Niederlande, Klas Knot, und Frankreichs, Francois Villeroy de Galhau, gegen die weitere Lockerung der Geldpolitik, vor allem die Neuaufnahme der Anleihekäufe gewandt.

Die Juristin hatte ihre Karriere bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin begonnen. Dort stieg sie auf zur Exekutivdirektorin für Bankenaufsicht, bevor sie zur Bundesbank wechselte und auch dort für die Bankenaufsicht zuständig war. Als Direktoriumsmitglied der EZB war sie bis Anfang dieses Jahres auch Vizepräsidentin der EZB-Bankenaufsicht. EZB-Präsident Mario Draghi dankte ihr in dürren Worten "für ihre wegweisende Rolle bei der Errichtung und Steuerung der europaweiten Bankenaufsicht, die einen Grundpfeiler der Bankenunion bildet, sowie für ihr entschlossenes Engagement für Europa." Dass der geldpolitische Kurs sich unter Draghis designierter Nachfolgerin Christine Lagarde ändere, da habe Lautenschläger wenig Hoffnung gehabt, war aus Notenbankkreisen zu hören. Die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds tritt Anfang November die Nachfolge Draghis an.

Mehrheit befürwortet lockere Geldpolitik

Der Abgang von Lautenschläger werde an der EZB-Politik ebenso wenig ändern, wie es die Rücktritte der geldpolitischen Schwergewichte Weber und Stark getan hätten, glaubt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, und begründet das mit der Mehrheit der "Tauben" im EZB-Rat, also mit Mitgliedern, die eine lockere Geldpolitik befürworten. "Zum anderen zeigt die ungewöhnlich knappe EZB-Entscheidung für die Wiederaufnahme der Anleihekäufe, dass der EZB-Präsident bereit ist, umstrittene Entscheidungen auch gegen massiven Widerstand durchzusetzen."

Zwar ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die drei großen Mitgliedsstaaten Frankreich, Italien und Deutschland ein Mitglied in das EZB-Direktorium entsenden. Mit Lagarde wäre Frankreich vertreten, der Franzose Benoit Coeuré wird voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres durch den Italiener Fabio Panetta ersetzt. Die Bundesregierung muss sich deshalb beeilen, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Lautenschläger vorzuschlagen. Wahrscheinlich wird es wieder eine Frau - darauf dürfte das Europaparlament drängen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort