Kommentar zum Münchener Dieselskandal-Prozess Ein hoher Preis

Meinung · Zweimal sagt Ex-Audi-Chef Rupert Stadler „ja“, dann hat er im Strafverfahren um den Dieselskandal gestanden: Der Preis für das Geständnis des Ex-Managers scheint jedoch hoch, schreibt Thomas Magenheim-Hörmann in seinem Kommentar.

Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des deutschen Automobilherstellers Audi.

Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des deutschen Automobilherstellers Audi.

Foto: dpa/Matthias Schrader

Seit September 2020 wird am Landgericht München um die Aufarbeitung des VW-Dieselskandals gerungen. 32 Monate lang hat sich der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler als prominentester Angeklagter unschuldig gegeben. Das gesamte Verfahren schleppt sich sogar schon fünf Jahre hin. In all diesen Jahren hat der frühere Audi-Chef eisern beteuert, nichts von einer Betrugssoftware gewusst zu haben. Nun hat er das Gegenteil gestanden. Von Herzen und aus Reue heraus kam dieses Geständnis offenkundig nicht. Es war rein taktischer Natur. Ohne Geständnis hätte Stadler Gefängnis ohne Bewährung gedroht. Das hat Richter Stefan Weickert klargemacht. Vor diese Wahl gestellt, hat der Ex-Manager zähneknirschend gestanden.

Es ist klar, dass das öffentliche Bekenntnis, jahrelang gelogen und betrogen zu haben, einem einstmals Mächtigen schwer über die Lippen geht. Stadler hat es nicht einmal versucht. Er hat seine Anwältin sprechen lassen. Das war insofern konsequent, als es erkennbar das Verteidigerteam war, das das Geständnis formuliert hat. Dessen juristischer Fachjargon war darauf ausgelegt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Erstens musste das Geständnis als solches sowohl vom Gericht als auch von der Staatsanwaltschaft anerkannt werden. Aber zweitens durfte es nicht so formuliert sein, dass es Tür und Tor für Schadenersatzklagen ermöglicht. Immerhin hat der frühere Audi-Chef gestanden, dass unter seiner Führung ab Mitte Juli 2016 gut 400.000 Dieselfahrzeuge mit Betrugssoftware verkauft wurden und er das nicht unterbunden hat.

In ein paar Wochen wird Stadler aller Voraussicht nach als verurteilter Straftäter gelten. Aber ins Gefängnis muss der 60-Jährige nicht. Finanziell geht es für seine Verhältnisse auch glimpflich ab. Die Volksseele dürfte das vielfach als ungerecht empfinden. Aber wahr ist auch, dass es ohne den vom Gericht angebotenen Deal „Geständnis oder Gefängnis“ Ersteres nicht gegeben hätte. Das milde Urteil war sozusagen der Preis für das historische Geständnis Stadlers. Der wirkt hoch. Aber das Urteil im Münchner Audi-Prozess ist nur eine Etappe auf dem Weg der juristischen Aufarbeitung des VW-Dieselskandals. Für andere Verfahren könnte es entscheidend sein, dass ein ehemaliger Audi-Vorstandschef gestanden hat, ab Mitte Juli 2016 mindestens geahnt zu haben, dass Autos mit Betrugssoftware verkauft werden. Dann wäre der Preis für Stadlers Geständnis leichter zu schlucken.

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