Interview mit Bodo Hombach "Energiepolitik bedarf des Verstandes"

Eine Delegation der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) beobachtete kürzlich in den USA den Umgang mit industriellen Großprojekten am Beispiel der Erdgasförderung. Im Interview mit Andreas Mühl äußert sich Bodo Hombach, Präsident der Akademie, zur Energiepolitik in den USA und in Deutschland.

 Bodo Hombach: Es muss Aufklärung einziehen.

Bodo Hombach: Es muss Aufklärung einziehen.

Foto: dpa

Welche Bedeutung hat diese Reise für die Akademie?
Bodo Hombach: Sie ist ein wichtiger Baustein, weil das Thema Naturgasförderung bei uns mit höchster Emotionalität besetzt ist. In den USA gibt es Erfahrungen sowohl bei Kritikern dieser Energieförderung wie bei Befürwortern. Es geht also darum, ein rationales Bild zu erhalten.

Was können wir lernen?
Hombach: In Amerika gibt es eine lösungsorientierte Mentalität. Bei uns gibt es häufig die Mentalität, eine Flasche deshalb nicht zu öffnen, weil man fürchtet, ein Geist könne drin sein. Anders gesagt: Ängste und Zweifel überwiegen. Ich wünschte mir schon, dass wir etwas von dieser Zuversicht hätten, Probleme lösen zu können, anstatt vor ihnen zu kapitulieren.

Deutschland wird keine Fracking-Hochburg werden. Was machen wir mit diesem Thema?
Hombach: Wir sehen schon jetzt, dass in der deutschen Energiepolitik der sozialen Frage zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Also der Frage, ob sich unsere Haushalte die Energie noch leisten können. Daran gekoppelt die Frage, was mit den Arbeitsplätzen passiert. Droht die Gefahr einer Deindustrialisierung, weil die Energiepreise zu hoch werden? In den USA betreibt man bewusst eine Politik der Reindustrialisierung. Dabei spielen günstige Energiepreise eine entscheidende Rolle. Auf der anderen Seite will ich für unser Gesamtprojekt an der Akademie das Fachthema Fracking nicht übertreiben. Es steht die Frage im Mittelpunkt, ob wir uns mit industriellen Projekten in einer neuen Form von Rationalität auseinandersetzen können oder ob es zwingend so sein muss, dass wir uns verkämpfen, gegenseitig blockieren und in emotionalisierten Auseinandersetzungen verlieren.

Was fordern Sie?
Hombach: Ich habe erlebt, wie das Pendel eindeutig zulasten der Ökologie ausgeschlagen war durch eine Fixierung auf wirtschaftliche Fragestellungen. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass das Pendel in die andere Richtung ausschlägt. Wir sehen eine Ökologisierung vieler Bereiche. Nehmen sie nur die Debatte um eines der modernsten Kohlekraftwerke in Datteln mit dem aktuellen Baustopp. Energiepolitik bedarf der Nutzung des Verstandes.

Was muss sich ändern?
Hombach: Die Politik hat die Erfahrung gemacht, dass sie große Wahlverluste verzeichnen muss, wenn sie sich industrielle Großprojekte zu eigen macht. Das hat zu einer Zurückhaltung, ja fast Feigheit geführt. Viele sehen zwar ein, dass es bestimmte energiepolitische Lösungen geben muss, um Versorgung, Wirtschaftlichkeit und auch ökologischen Fortschritt zu sichern, trauen sich aber kaum, es durchzusetzen. Gleichzeitig sind aber Initiativen, die sich gegen bauliche Maßnahmen richten, so erfolgreich, dass man sich schon fragt, wo wir in Deutschland eigentlich anfangen wollen. Hier muss Aufklärung einziehen.

Weil wir sonst unsere Zukunftsfähigkeit verspielen?
Hombach: Ganz eindeutig. Der Glaube, unser relativer Wohlstand sei stabil, ist gefährlich. Unser wirklicher Beitrag, den wir um des Weltklimas willen, aber auch um unser eigenen wirtschaftlichen Zukunft willen leisten müssen, ist es, unsere Forschung daranzusetzen, Technologien zu entwickeln, die umweltschonender sind als die aktuellen Techniken. Die Energiewende wird dann ein wirtschaftlicher Erfolg, wenn sie dazu führt, dass wir unsere Energieerzeugung sichern und die benötigte Technik ein Exportschlager wird.

Welchen Großprojekten wird sich die Akademie noch zuwenden?
Hombach: Wir hatten zunächst eine deutliche innenpolitische Ausrichtung. Aufgrund der großen internen Kompetenz und wegen des Interesses von außen ändert sich das. Wir wurden vor einigen Wochen von der chinesischen Akademie der Wissenschaften außerordentlich hochrangig empfangen. Diese will auch zu einem Gegenbesuch nach Bonn kommen. Ähnliches war jetzt in den USA zu hören. Aber da müssen wir erst noch Kapazitäten aufbauen, um das zu tragen.

Ist die Akademie nach 20 Monaten Arbeit gut unterwegs?
Hombach: Ein klares Ja. Verbunden mit dem Dank an die, die sich sehr reinhängen. Das gilt für die Praxis, aber auch für die Bonner Universität. Es ist viel mehr entstanden, als ich erwartet hatte. Ich bin dankbar dafür, dass der Anstoß, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien in einen Dialog zu bringen, solche Früchte trägt.

Zur Person
Bodo Hombach (61) war als SPD- Politiker Landesminister in NRW, Wahlkampfmanager und in der Regierung Schröder Chef des Kanzleramtes (1998/99). 2002 wurde er Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe in Essen. Der Mülheimer ist seit 2011 BAPP-Präsident. Er moderiert auch den Initiativkreis Ruhr.

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