Shell stoppt Ölbohrungen in Alaska Entdeckte Vorkommen sind laut Konzern nicht lohnenswert

New York · Für den Ölkonzern Shell ist es eine Mega-Pleite, für Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace ein großer Sieg und für US-Präsident Obama eine unerwartete Gesichtswahrung: Der deutsch-niederländische Energie-Multi hat seine heftige kritisierten Probebohrungen nach Öl und Gas vor der Küste Alaskas überraschend aufgegeben.

 Lief 2013 vor Alaska auf Grund: Die Bohrinsel „Kulluk“ des Ölkonzerns Shell, die auf dem Weg in einen Hafen war.

Lief 2013 vor Alaska auf Grund: Die Bohrinsel „Kulluk“ des Ölkonzerns Shell, die auf dem Weg in einen Hafen war.

Foto: dpa

In der Tschuktschensee zwischen Russland und dem US-Bundesstaat habe man keine ausreichenden Vorräte gefunden, die eine wirtschaftliche Förderung gerechtfertigt hätten, erklärte das Unternehmen gestern. Außerdem sei mit zusätzlichen Umweltauflagen durch die Regierung in Washington zu rechnen gewesen. Konsequenz: Das Bohrloch im sogenannten Areal "Burger J", 240 Kilometer von der nächsten von Menschen bewohnten Siedlung Alaskas gelegen, wird vor dem einbrechenden Winter umgehend geschlossen. Die erst im Juli unter großem Protest von Umweltschützern in die Gewässer geschleppte Bohrinsel "Polar Pioneer" wird abgezogen.

Branchen-Insider beziffern die Fehlinvestition der Shell-Konzerns, der seit fast zehn Jahren an dem Projekt Arktis gearbeitet hatte, auf zirka sieben Milliarden Dollar. Exakte Zahlen werden Ende Oktober bei der Vorstellung der Bilanz erwartet.

Umweltverbände zeigten sich erleichtert. Sie hatten sich über Jahre gegen die Gewinnung von Öl und Gas in der Arktis ausgesprochen. Zu sensibel sei das dortige Ökosystem, sagten Sprecher der Organisation "Alaska Wilderness League". Im Falle einer Katastrophe auf einer Bohrinsel könnte das Leck bis zur nächsten Eisschmelze unerreichbar bleiben. Öl könne dann monatelang ungehindert das Meer verseuchen. Und das in einer Gegend, durch die die Hauptmigrationsrouten von Walen und anderen Meerestieren führen. Küstenwachen, Tiefseehäfen und spezielle Technik, die man für Rettungsarbeiten benötigte, wären mehr als 1000 Meilen entfernt. Kein Horrorszenario aus heiterem Himmel: Vor drei Jahren schrammte Shell in der Tschuktschensee haarscharf an einem Desaster vorbei. Die Bohrinsel Kulluk sollte zur Zeit der Winterstürme nach Seattle verlegt werden, lief in tosender See auf Grund und strandete Tage später in der Nähe der Kodiak-Inseln. Berichte der US-Regierung stellten später fest: Dass 500.000 Liter Diesel an Bord nicht ausliefen, war reines Glück.

Für US-Präsident Barack Obama kommt die Nachricht vom Rückzug wie gerufen. Erst im Mai hatte er die Probebohrungen nach langem Prüfverfahren genehmigt und war dafür scharf kritisiert worden. Sein ausschließlich auf die Gefahren des Klimawandels ausgerichteter Alaska-Besuch vor wenigen Wochen wurde deshalb als "ungeschickt" bis "verlogen" empfunden. Hillary Clinton, demokratische Präsidentschaftskandidatin für 2016, hatte sich gegen Bohrungen in der Arktis ausgesprochen und damit gedroht, die Erlaubnis einzukassieren, falls sie gewählt wird.

Fachleute in der Öl-Branche zeigten sich dennoch überrascht über den Ausstieg Shells. Erst im Juli hat Konzernchef Ben van Beurden die Tschuktschensee als riesiges Öl-Reservoir bezeichnet, das "vielfach größer ist als die größten Vorkommen in Amerika und im Golf von Mexiko".

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