EU-Lieferkettengesetz Weltweite Standards für EU-Firmen

Berlin · Am Donnerstag steht der Entwurf des Lieferkettengesetz im Europäischen Parlament zur Debatte. Unionsabgeordnete wollen ihn entschärfen.

 Globaler Umschlagplatz: Container stehen im Containerterminal Altenwerder im Hamburger Hafen auf einer Abstellfläche.

Globaler Umschlagplatz: Container stehen im Containerterminal Altenwerder im Hamburger Hafen auf einer Abstellfläche.

Foto: dpa/Markus Scholz

Offiziell respektieren die meisten großen Unternehmen die weltweiten Menschenrechte. Wie sie diesen Anspruch jedoch in die Praxis umsetzen, sollen bald genauere Vorschriften regeln. An diesem Donnerstag entscheidet das EU-Parlament über den Entwurf des europäischen Lieferkettengesetzes. Diese Direktive könnte deutlich über das entsprechende deutsche Gesetz hinausgehen. Wie viele Stunden täglich dürfen Beschäftigte in den asiatischen Textilfabriken maximal arbeiten, wie müssen Bergbaukonzerne die Natur im Umkreis ihrer Minen schützen, wie können ausländische Arbeiter ihre Rechte bei europäischen Firmen durchsetzen? Unter anderem solche Fragen wird das europäische Lieferkettengesetz regeln. Grundsätzlich geht es darum, die sozialen und ökologischen Menschenrechte bei den weltweiten Lieferanten der europäischen Unternehmen zu schützen. Noch aber ist die Auseinandersetzung darüber im Gange, was der Text genau enthalten wird.

Dem Plenum des Parlaments liegt ein Kompromiss seines Rechtsausschusses vor. Demnach müssen alle EU-Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz die Regelungen zum Schutz der Menschenrechte bei ihren Lieferanten beachten. Das gilt auch für europäische Tochterfirmen ausländischer Unternehmen. Das deutsche Gesetz erfasst dagegen ab 2024 nur größere Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten. Träte die EU-Regelung mit der Schwelle von 250 Beschäftigten in Kraft, würde sie später auch in Deutschland gelten. Das hiesige Gesetz müsste angepasst werden und kleinere Firmen ebenso erfassen. Allerdings sind Übergangsfristen von mehreren Jahren geplant.

Prinzipiell sollen die europäischen Unternehmen dann für ihre komplette Lieferkette verantwortlich sein. Darunter versteht man die Hauptlieferanten, beispielsweise die Bekleidungsfabriken in Bangladesch, aber auch deren Subunternehmer, die die Vorprodukte herstellen. Grundsätzlich reicht die Lieferkette der hiesigen Betriebe damit zurück bis zum Feld, auf dem die Baumwolle wächst, oder bis zum Bergwerk, aus dem das Eisenerz für die Stahlproduktion kommt.

Im Gegensatz zum deutschen Lieferkettengesetz sieht die europäische Direktive auch mehr Verpflichtungen zur Einhaltung ökologischer Standards vor. So sollen die Firmen dazu beitragen, Klimaschäden zu vermeiden. Außerdem gibt es eine Haftungsklausel, die es geschädigten Beschäftigten oder Anwohnern der Zulieferbetriebe erleichtert, Schadensersatzklagen bei europäischen Gerichten einzureichen. Die hiesigen Unternehmen müssen ihre aus dem EU-Gesetz erwachsenden Verpflichtungen grundsätzlich individuell erfüllen, können ihre Bemühungen teilweise aber dadurch nachweisen, dass sie bestimmte Branchenregeln anwenden. Wenn eine Firma beispielsweise ein Fairtrade-Siegel verwenden darf, gilt dieses als Beleg für die Einhaltung menschenrechtlicher Standards.

Auch Finanzunternehmen müssen Partner kontrollieren

Finanzunternehmen sollen vom EU-Gesetz ebenfalls erfasst werden. Allerdings müssen Banken, Versicherungen, Kapitalinvestoren und Fonds nur ihre direkten Geschäftspartner kontrollieren, nicht jedoch deren Kooperationsfirmen. Wenn am Donnerstag das Plenum des Europäischen Parlaments tagt, steht der unter anderem von Sozialdemokraten und Grünen getragene Kompromiss des Rechtsausschusses nochmals zur Debatte. Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der CDU und CSU gehören, wollen ihn verändern. So kritisieren Daniel Caspary (CDU) und Angelika Niebler (CSU), dass die EU-Direktive über das deutsche Gesetz hinausgeht. Statt der Schwelle von 250 Beschäftigten plädieren sie etwa dafür, nur Firmen ab 1000 Leute aufwärts einzubeziehen. Außerdem wollen sie die klimapolitischen Pflichten streichen.

In den vergangenen Monaten hatten sich bereits Wirtschaftsorganisationen wie der deutsche Einzelhandelsverband (HDE) kritisch geäußert. Sie befürchten zu viel Bürokratie für kleinere Betriebe und Nachteile im internationalen Wettbewerb für große Unternehmen. Unter anderem der internationale Unternehmensverband Amfori unterstützt den Entwurf der Direktive dagegen. Die Bürgerrechtsorganisation Germanwatch und der Verband der Verbraucherzentralen warnten am Mittwoch davor, das EU-Gesetz zu verwässern.

Sollte die EVP den Entwurf im Parlament komplett ablehnen, kann sich unter Umständen auch das ganze Verfahren verzögern. Dann müsste der Rechtsausschuss eventuell noch mal beraten. Geht das Gesetz dagegen ohne oder mit Änderungen durch, stehen ab Juli die sogenannten Trilog-Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedstaaten an.