EU und Deutschland bei Bankenabwicklung auf Kollisionskurs

Dublin · Auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Finanzmarkt bahnt sich neuer Streit über den Umgang mit angeschlagenen Geldhäusern an.

 Nach der Finanzkrise 2008 musste der Steuerzahler taumelnde Banken mit Milliarden vor dem Kollaps retten. Das soll sich nicht wiederholen: Banken sollen künftig geordnet pleitegehen können. "In Zukunft müssen Banken so abgewickelt werden können, wie andere Unternehmen auch", sa

Nach der Finanzkrise 2008 musste der Steuerzahler taumelnde Banken mit Milliarden vor dem Kollaps retten. Das soll sich nicht wiederholen: Banken sollen künftig geordnet pleitegehen können. "In Zukunft müssen Banken so abgewickelt werden können, wie andere Unternehmen auch", sa

Foto: DPA

Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Vitor Constancio, machte sich am Samstag für einen einheitlichen EU-Fonds stark, über den die Beerdigung von Pleitebanken finanziert abgewickelt werden kann.

"Nur nationale Abwicklungsfonds zu haben, wird nicht ausreichend sein", sagte er in Dublin nach zweitägigen Beratungen der EU-Finanzminister. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bekräftigte zugleich seine Absicht, bis Juni einen Vorschlag für eine europäische Behörde zur Bankenabwicklung vorzulegen.

Damit steuern die EU-Institutionen mitten im Bundestagswahlkampf auf Kollisionskurs zu Deutschland. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt eine einheitliche EU-Einrichtung zur Abwicklung von Banken ab. Auf dem Weg zur geplante Bankenunion seien zwar gemeinsame Regeln für die Restrukturierung und Abwicklung von Krisenbanken nötig. Aber für eine europäische Institution sei die "rechtliche Basis dünn", sagte Schäuble in Dublin. "Wir werden jedenfalls nicht auf einer zweifelhaften rechtlichen Basis irgendwelche Schritte gehen können."

Bei der Sanierung und Abwicklung von Krisenbanken will die EU auch Großanleger systematisch zur Kasse bitten können. Barnier hatte bereits im März gesagt, sein Gesetzentwurf solle noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Dieser sieht allerdings ausdrücklich vor, dass Spareinlagen bis zu 100 000 Euro geschützt sind. In Dublin wies Barnier darauf hin, dass damit 95 Prozent aller EU-Sparer von den Plänen nicht betroffen seien.

In der EU müssen alle Mitgliedstaaten schon bisher über Systeme verfügen, die bei einer Bankpleite bis zur Höhe von 100 000 Euro je Kunde absichern. Die gesetzliche Garantie deckt das Geld auf Giro-, Tagesgeld- und Festgeldkonten, Sparbüchern und Sparbriefen ab. In Deutschland versprechen Banken, Sparkassen und Genossenschaftsinstitute darüber hinaus zusätzlichen Schutz über ihre eigenen Sicherungssysteme.

Die Beteiligung von Sparern soll indes der letzte Schritt sein. Barnier bekräftigte, dass sein "Werkzeugkasten" zunächst die Vorsorge stärken solle, damit es gar nicht erst zu einer Schieflage kommt. Im Krisenfall seien dann zunächst die Eigner einer Bank gefragt, dann Anleihegläubiger und erst dann, "wenn nötig", Spareinlagen und andere Guthaben.

"In Zukunft müssen Banken so abgewickelt werden können, wie andere Unternehmen auch", bekräftigte Schäuble in Dublin. Die geplante Bankenunion bedeute, Eigentümer und Gläubiger in die Pflicht zu nehmen. "Das ist im normalen Wirtschaftsleben auch so." Schäuble versicherte: "Deutschland wird wie bisher nicht bremsen, sondern Motor sein." Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann betonte, bei der Abwicklung von Banken dürften Einlagen "erst ganz am Schluss" in Anspruch genommen werden. An die Adresse renditebewusster Bankkunden richtete er indes aus: "Es ist klar, dass Zinsen und Risiko in einem Zusammenhang stehen."

Ein weiterer wichtiger Pfeiler der Bankenunion ist der Aufbau einer gemeinsamen Bankenaufsicht, die bei der EZB angesiedelt wird. Dafür hatten die Minister am Vorabend den Weg freigemacht, indem sie einen mit dem EU-Parlament gefundenen Kompromiss bestätigten. Die Bankenaufsicht ist auch Voraussetzung dafür, dass der EU-Rettungsschirm auf Antrag eines Mitgliedslandes Kredite zur direkten Rekapitalisierung von Banken vergeben kann.

Die gemeinsame Bankenaufsicht bei der EZB auf Basis der bestehenden EU-Verträge war ebenfalls umstritten. Es sei wichtig, Bankenaufsicht und Geldpolitik streng zu trennen, unterstrich Schäuble. "Deswegen ist es auf Dauer besser, wir bekommen eine Vertragsänderung hin." Auf deutschen Wunsch verabschiedeten die EU-Minister eine Erklärung, dass bei einer kommenden Änderung der Texte die Bankenunion auch in den EU-Verträgen verankert wird. Der Aufbau der Bankenunion wird dadurch aber nicht aufgehalten.

Derweil sucht die EU nach Wegen, um die Kreditklemme für Unternehmen in einigen Mitgliedsländern zu überwinden, insbesondere im Süden des Kontinents. Es gebe Möglichkeiten, kleine und mittlere Unternehmen nicht über Banken, sondern über andere Schienen zu finanzieren, sagte der Vorsitzende der EU-Finanzminister, Michael Noonan, am Samstag in Dublin. "Die traditionelle Finanzierung in Europa läuft über Banken", sagte Noonan. Eine Alternative müsse der Kapitalmarkt sein. Nach Noonans Worten laufen in Europa fast drei Viertel der Unternehmensfinanzierungen über Banken, in den USA sei es nur ein Viertel.

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