Zuschlag für geplante E-Auto-Fabrikation Ford-Werke in Valencia und Saarlouis kämpfen ums Überleben

Valencia · Die Ford-Werke in Valencia und Saarlouis kämpfen ums Überleben: Die Konzernspitze veranstaltet einen Wettbewerb um die besten Sparmaßnahmen, um den Zuschlag für die Produktion von E-Autos zu erteilen. Gewerkschaften üben Kritik.

 Ford-Produktion in Saarlouis: Hier wird der Focus gebaut.

Ford-Produktion in Saarlouis: Hier wird der Focus gebaut.

Foto: picture alliance / dpa/Oliver Dietze

Spanische Gewerkschafter sprechen von gladiatorenähnlichen „Hungerspielen“, bei denen am Ende nur einer übrig bleiben wird. Sie meinen damit das „brutale Bietergefecht“, zu dem Ford seine Autofabriken im spanischen Valencia und im deutschen Saarlouis antreten lässt. Beide sollen im Kampf um den Zuschlag für eine geplante E-Auto-Fabrikation harte Sparkonzepte vorlegen. Nur einer der beiden Standorte könne erhalten werden, lautet die Botschaft – dem anderen droht mittelfristig die Schließung. 

Die Unruhe ist groß in Spanien, wo die Jobs von 6200 Ford-Arbeitern und 30.000 Angestellten der Zulieferindustrie auf dem Spiel stehen. „Ford hetzt die Fabriken in Valencia und Saarlouis gegeneinander auf“, titelt die Tageszeitung „Levante“.

Spanien ist nach Deutschland das zweitwichtigste Pkw-Produktionsland Europas. VW, Mercedes, Renault, Stellantis (Citroen, Opel, Peugot) und auch Ford produzieren in Spanien, wo die Lohnkosten ein Drittel günstiger sind als in Deutschland.

Es ist ein Überlebenskampf um die Zukunft. Ein Kampf Ford gegen Ford. Und eine Schlacht um einen umkämpften Automobilmarkt, der heftige Stürme durchstehen muss. Eine Unwetterlage, die den Ford-Konzern, genauso wie andere große Fahrzeughersteller, ins Schleudern brachte. Der Markt kam nicht nur durch die Klimaschutzpolitik unter Druck. Er muss zudem Absatzkrisen verdauen, die durch Corona-Mobilitätsbeschränkungen ausgelöst wurden. Hinzu kommt der Mikrochip-Mangel, der immer wieder die Fließbänder zum Stillstand bringt.

Die Ford-Fabrik befindet sich seit 45 Jahren vor den Toren der Mittelmeerstadt Valencia, in dem 9000-Einwohner-Städtchen Almussafes. Der Autobau brachte Wohlstand in den Ort. Mit dem Aus für die Fabrik würden auch in Almussafes viele Lichter ausgehen. Dieser Tage machte die Werksleitung mit einem Schreiben an die Mitarbeiter klar, was sie erwartet, damit die Fabrik gerettet werden kann: „Die Verringerung der Lohnkosten, die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit und eine Erhöhung der Arbeitstage pro Jahr.“ Letzteres meint im Klartext: eine Kürzung des Urlaubsanspruchs.

Belegschaft in Saarlouis wird unter Druck gesetzt

Die Führung im deutschen Saarlouis, das nicht weit von Saarbrücken entfernt liegt, setzt die dortige Belegschaft mit ähnlichen Forderungen unter Druck. „Uns wurde ziemlich deutlich gesagt, dass Valencia insbesondere hinsichtlich der Personalkosten erhebliche Vorteile habe“, erklärt der Vorsitzende des deutschen Ford-Gesamtbetriebsrates, Martin Henning, in einem Rundbrief. „Die Standorte werden gegeneinander ausgespielt“, klagen Gewerkschaften in beiden Ländern.

Seit Monaten ringen die Betriebsräte, die Lohnkürzungen strikt ablehnen, mit den Werksleitungen. Währenddessen wird die Zeit knapp. Bis 27. Januar müssen beide Werke Sparvorschläge an die europäische Ford-Zentrale in Köln schicken. Die Entscheidung soll dann bis Ende Juni verkündet werden: Saarlouis oder Valencia.

Man weiß, dass der unter Kostendruck geratene Ford-Konzern im Zuge seiner Sanierungspolitik nicht zimperlich ist: Das US-Unternehmen hat mit mehreren Werksschließungen in Europa gezeigt, dass Kostensenkungen mit radikalen Kahlschlägen durchgesetzt werden.  

Saarlouis und Valencia zittern schon. In Saarlouis wird nur der Focus produziert, der 2025 auslaufen soll. Valencia baut zwar noch vier Pkw-Modelle: vor allem den erfolgreichen Kuga, der zunächst nicht zur Debatte steht. Aber die Produktion der übrigen drei Modelle – Mondeo, Galaxy und S-Max – geht dem Ende zu.

In Köln wird schon ab 2023 ein E-Auto produziert

Klar ist bisher: Spätestens 2030 will Ford auf dem Kontinent die Produktion von Pkws mit Verbrennungsmotoren aufgeben und nur noch E-Autos fertigen. Das Stammwerk am Ford-Europasitz Köln soll bereits von 2023 ein Elektrofahrzeug herstellen. Ein weiteres könnte in Valencia oder Saarlouis vom Band laufen.

Es geht aber nicht nur um Produktionskosten, sondern auch um Millionenzuschüsse. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez stellte bereits Fördergelder in Aussicht, wenn Valencia den Wettstreit gewinnen sollte – Geld aus dem EU-Fonds „Next Generation“, mit dem die Energiewende gefördert werden soll. Aber auch hier pokert Ford in Deutschland wie in Spanien, um hohe Subventionen für einen der beiden Standorte herauszuholen.

Noch eines könnte eine wichtige Rolle spielen: Batteriefabriken. Im Saarland kündigte der chinesische Hersteller S-Volt an, dass er in der Nähe von Saarlouis, im Ort Überherrn, ein großes Batteriewerk bauen will. Spanien zog inzwischen nach und präsentierte ebenfalls einen Plan für eine gigantische Batteriefabrik direkt neben dem Ford-Werk. Das Geld soll ebenfalls vom EU-Fonds „Next Generation“ sowie von privaten Investoren kommen.

Eine Entscheidung über das Batteriewerk in Almussafes gibt es noch nicht. Aber inzwischen wurde bekannt, dass Ford Spanien zur Initiatorengruppe des Projektes gehört, die sich aus 24 Unternehmen formierte. Der globale Schweizer Bahnbauer Stadler, der in Valencia umweltfreundliche Schienenfahrzeuge baut, ist ebenfalls dabei.

Dass Ford beim spanischen Batterieprojekt mitmacht, wird als Hoffnungsschimmer dafür gewertet, dass der Konzern die Autofabrik in Valencia erhalten will. Genauso wie die Ford-Entscheidung, im spanischen Werk die Produktion eines neuen Hybridmotors aufzunehmen.

Die Zeitung „El País“ feierte den Zuschlag für den Öko-Motor mit den Worten: „Ford verabreicht Almussafes Sauerstoff.“ Bis zum Sommer wird man sehen, ob dieser Sauerstoffschub ausreicht, um die Autofabrik in Valencia dauerhaft zu retten. Oder ob in diesem Zweikampf doch noch Saarlouis die Nase vorne haben wird.

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