Kommentar zu Tengelmann/Edeka Fragwürdige Ministererlaubnis

Meinung · Aus gutem Grund ist die Ministererlaubnis ein Instrument, das in Deutschland sehr sparsam eingesetzt wird. Denn bei solchen Eingriffen in einen Markt droht immer die Verfestigung einer Situation, die einen notwendigen Strukturwandel verhindert.

Für die Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka unter Auflagen freizugeben, gibt es kaum Vorlagen. Seit 1973 existiert die Möglichkeit der Ministererlaubnis im deutschen Recht. Erst 21 Mal haben Unternehmen einen Antrag auf Ministererlaubnis gestellt. Und erst ein Mal hat zuvor ein Minister eine Erlaubnis ausgesprochen, obwohl sich die Experten der Monopolkommission dagegen ausgesprochen haben. Gestern hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bekanntgegeben, unter welchen Bedingungen er zum zweiten Mal einen derartigen Meilenstein setzen würde. Doch seine Bedingungen für die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka haben wenig Gewicht und klingen sehr fragwürdig.

Es gibt in Deutschland weder Not auf dem Arbeitsmarkt noch zu wenig Supermärkte. Hinter einer Ministererlaubnis, die sich über ein Veto des Kartellamtes hinweg setzt, muss immer stehen, dass der positive Einfluss auf das Gemeinwohl Vorrang vor der Beeinträchtigung des Wettbewerbs hat oder gesamtwirtschaftliche Gründe für die Erlaubnis sprechen. Das ist in diesem Fall schwer zu erkennen. Den Lebensmittelmarkt teilen sich in Deutschland bereits nur wenige Anbieter auf, aber diese liefern sich einen harten Wettbewerb. Die vier Ketten Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, vereinen 85 Prozent des deutschen Absatzes auf sich.

Kleine Anbieter haben es schwer. Für die Verbraucher bietet sich ein dichtes Netz an Supermärkten und Discountern. Zum normalen Wirtschaftsleben gehört es dazu, dass auch Anbieter ausscheiden, die im Wettbewerb nicht mehr bestehen können. Das ist im Einzelfall zwar sehr bedauerlich, wenn es zum Beispiel den Laden um die Ecke betrifft. Aber es gibt keinen Grund für eine Ministererlaubnis. Es fehlen Anzeichen, dass in näherer Zukunft das Netz der Supermärkte und Discounter zu grobmaschig werden könnte.

Durch die Erlaubnis der Fusion würde die Marktmacht Edekas auf dem Beschaffungsmarkt noch größer. Schon jetzt diktieren die großen Ketten den Nahrungsmittelherstellern und Lieferanten die Preise. Die Drohung mit dem Aussortieren eines Produktes gehört zum täglichen Geschäft. Das ist nicht im Interesse der Verbraucher, weil die Vielfalt schwindet.

Gabriel fordert Arbeitsplatz- und Standortgarantien von Edeka. 97 Prozent der 16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann sollen zumindest für fünf Jahre gesichert sein. Und dann? Fünf Jahre sind schnell vorüber. Ob Arbeitsplätze danach gestrichen werden, kontrolliert niemand mehr.

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