Gabriel stoppt Rüstungsgeschäft mit Moskau

Berlin/Moskau · Die Bundesregierung hat wegen der Krise in der Ukraine ein Rüstungsgeschäft von Rheinmetall mit Russland in dreistelliger Millionenhöhe endgültig gestoppt. Moskau droht nun mit einer Schadensersatzklage.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Montag auf die Frage, ob er mit der Entscheidung nicht hohe Schadensersatzforderungen riskiere: "Ich riskiere vor allen Dingen durch die Auslieferung eines Gefechtszentrums nach Russland, dass die militärischen Auseinandersetzungen größer werden. (...) Es geht nicht um Geld, sondern um Menschenleben dort."

Gabriel widerrief nach eigenen Angaben in Abstimmung mit dem Kanzleramt eine von der schwarz-gelben Vorgängerregierung erteilte Genehmigung für den von Bau des Gefechtsübungszentrums östlich von Moskau. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuerst darüber berichtet. Gabriel sagte, dies sei seiner Kenntnis nach ein Einzelfall, derzeit stünden keine anderen Lieferstopps an.

In dem modernen Übungszentrum mit Kapazität für rund 30 000 Panzer- und Infanteriesoldaten pro Jahr sollten Kämpfe mit Lasertechnik simuliert werden, was Geld und Material spart. Rheinmetall gilt als eines der weltweit führenden Unternehmen für die Technik und betreibt ein ähnliches Zentrum schon seit 2001 für die Bundeswehr.

SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann sagte der dpa, die Bundesregierung müsse zu einer restriktiveren Praxis zurückkehren. Bei Schwarz-Gelb sei die Rüstungsexportpolitik aus dem Ruder gelaufen.

Ob Rheinmetall für das geplatzte Geschäft im Gesamtumfang von 123 Millionen Euro Schadensersatzforderungen stellen wird, war zunächst offen. Die Gespräche mit der Bundesregierung liefen noch, es gebe bisher keine Lösung, sagte ein Sprecher des Düsseldorfer Konzerns. Aber gut 100 Millionen Euro seien natürlich eine "relevante Größe".

"Jetzt ist es in der Hand des Unternehmens zu schauen, wie es darauf reagieren wird", sagte Gabriel. Eine Hermesbürgschaft für die Lieferung an die russische Armee gibt es nach Ministeriumsangaben nicht. Solche Exportkreditgarantien sichern in der Regel Geschäfte mit ausländischen Geschäftspartnern ab. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete von gescheiterten Bemühungen der Regierung, mit Rheinmetall einen Konsens über die Aussetzung des Geschäfts zu erzielen.

Russland sprach von Vertragsbruch und drohte mit einer Schadenersatzklage. Das russische Verteidigungsministerium werde vor Gericht ziehen, sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter der Behörde der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Die gestoppte Lieferung hätte etwa zehn Prozent des Zentrums ausgemacht, sagte er. Die russische Rüstungsbranche sei in der Lage, die fehlenden Teile zu ersetzen. Vizeverteidigungsminister Juri Borissow betonte, die Absage werde den bereits für September geplanten Start des Zentrums in Mulino etwa 350 Kilometer östlich von Moskau nicht verzögern.

Eine Sprecherin Gabriels sagte, der überwiegende Teil der Anlage sei noch nicht nach Russland ausgeliefert worden. Die Anlage sei damit nicht funktionsfähig. Gabriel hatte das Rheinmetall-Geschäft bereits im März als Reaktion auf die Krim-Krise vorläufig gestoppt.

Rheinmetall ist einer der größten deutschen Rüstungskonzerne und liefert unter anderem Waffen für den Kampfpanzer "Leopard". Im ersten Quartal wuchs der Auftragsbestand trotz des Spartrends in vielen westlichen Verteidigungshaushalten um fast zwei Drittel und erreichte mit insgesamt rund 6,2 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert.

Hintergrund für den nun erteilten Widerruf sind die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland. Deutschland geht damit über die Sanktionen hinaus. Denn die Strafmaßnahmen der Europäischen Union, die unter anderem ein Moratorium für Rüstungsgeschäfte vorsehen und seit Ende voriger Woche in Kraft sind, schließen keine bereits vereinbarten Geschäfte ein.

Oppermann mahnte mit Blick auf Frankreich eine einheitliche Praxis in Europa bei Rüstungsexporten an. Paris will eine bereits vereinbarte Lieferung von Kriegsschiffen an Moskau noch ausführen. Es dürfe keine Ausfuhr in Krisen- und Spannungsgebiete sowie an Regime geben, die die Menschenrechte systematisch missachteten, sagte Oppermann.

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