Frutania erwartet Preissteigerungen Grafschafter Obsthandel sieht Versorgung von Obst und Gemüse in Gefahr

Grafschaft-Ringen · Das Handelsunternehmen Frutania aus Grafschaft-Ringen erwartet durch Erntehelfermangel große Preissteigerungen bei Früchten und Gemüse. 80.000 Erntehelfer aus Osteuropa sollen die Ernte nun retten.

Auf vielen Erdbeerhöfen fehlen die Erntehelfer.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Das Handelsunternehmen Frutania aus Grafschaft-Ringen sieht gravierende Probleme in der Versorgung mit frischem Obst und Gemüse in Deutschland. Die Firma ist, wie Frutania-Geschäftsführer Markus Schneider sagt, einer der größten Lieferanten von Beerenobst, Spargel sowie Kern- und Steinobst, Tomaten und Gemüse für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Als Grund nennt Schneider den Mangel an Erntehelfern. Die Produktion stehe für die kommende deutsche Saison in den Startlöchern. Allein den mehr als 150 Frutania angeschlossenen landwirtschaftlichen Betrieben würden insgesamt rund 10.000 Saisonarbeitskräfte fehlen.

In der Landwirtschaft arbeiten jedes Jahr bundesweit nahezu 300.000 Saisonkräfte vor allem aus Rumänien und Polen, von denen die meisten in diesem Jahr nicht einreisen dürfen. „Diesen Bedarf kann man nicht mit Friseuren und Studenten decken, die sich freiwillig melden“, sagt Béatrice Schneider, bei Frutania für Marketing zuständig und Ehefrau von Markus Schneider. Bei kleineren Höfen lasse sich der Einreisestopp für Erntehelfer eventuell noch ausgleichen. Doch größere Betriebe könnten in den kommenden Wochen die Ernte nicht von den Feldern holen. Denn die Ernte dauere mehrere Wochen. Die Gefahr bestehe, dass freiwillige Hilfskräfte im Verlauf der Ernte bereits wieder durch ihre eigentlichen Tätigkeiten gebunden seien.

Bundesminister erlauben Einreise von Erntehelfern aus Osteuropa

Um drohende Ernteausfälle zu verhindern, sollen in den kommenden zwei Monaten insgesamt 80.000 Saisonarbeiter (jeweils 40.000 pro Monat) aus Osteuropa nach Deutschland einreisen dürfen. Darauf haben sich Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag geeinigt. Laut einem Konzeptpapier dürfen die Arbeiter ausschließlich in Gruppen und mit dem Flugzeug einreisen. Vorgesehen ist außerdem eine Gesundheitsprüfung. Liegen Anhaltspunkte auf eine Corona-Infektion vor, soll die Einreise verweigert werden. Die Erntehelfer müssen in den ersten 14 Tagen getrennt von anderen Beschäftigten arbeiten und dürfen den Betrieb nicht verlassen. „Diese Zahl an Erntehelfern wird nicht ausreichen, um die Probleme zu lösen“, sagt Markus Schneider. Er kommt aus einer Obstproduzentenfamilie. Sein Bruder Stefan Schneider führt Schneiders Obsthof aus Wachtberg. Seit über 40 Jahren baut der Familienbetrieb Beerenfrüchte, Kern- und Steinobst im Drachenfelser Ländchen an. Schneiders Obsthof vermarktet selbst, beliefert aber auch den Betrieb seines Bruders.

Engpass an Helfern über 2020 hinaus

Markus Schneider sieht einen Engpass auf Deutschland zukommen, der nicht nur 2020, sondern vielmehr auch in den nächsten Jahren spürbar sein wird: „Unsere angeschlossenen Betriebe können im Moment ihre Ernte nicht einbringen und bestellen heute keine Pflanzen mehr für nächstes Jahr, da sie in der Ungewissheit der aktuellen Lage nicht in finanzielle Vorleistung für nächstes Jahr gehen können.“ Der Import von Waren aus dem benachbarten Ausland sei nicht oder nur teilweise gesichert. Der hohe regionale Versorgungsgrad in den Monaten April bis September werde zu leeren Obst- und Gemüseregalen führen.

„Die Situation ist für die Landwirte existenzbedrohend, die Saison ist vorbereitet“, berichtet der Geschäftsführer. Die Pflanzen seien kurz vor der Blüte oder Ernte. Die Kosten der Produktion hätten sich allerdings durch die komplexeren Betriebsabläufe aufgrund der zusätzlichen Hygieneanforderungen und der Knappheit an Arbeitskräften deutlich erhöht. Zusätzlich drohe nun ein Totalausfall der Einnahmen, falls die Ernte nicht eingebracht werden kann. „Der Lebensmitteleinzelhandel steht vor dem Problem der Warenverknappung, daher ist mit stark ansteigenden Preisen für Obst und Gemüse zu rechnen“, so Markus Schneider. Frutania beschäftigt 150 Mitarbeiter in der Verwaltung und 120 Saisonarbeitskräfte in Lager und Verpackung.

Lücke von Erntehelfern in der Region sollen Bürger aus NRW schließen

In einem Aufruf werben NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser, Integrations- und Flüchtlingsminister Joachim Stamp und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann für Unterstützung der Landwirte. „Wir haben eine Lücke von etwa 45.000 dringend benötigten Erntehelferinnen und Erntehelfern in NRW“, sagte Heinen-Esser. Sie rufe deshalb alle Bürger mit freien Kapazitäten dazu auf, ihre Hilfe auf den Höfen anzubieten. Angesprochen seien Personen, die sich in Kurzarbeit befinden, Asylbewerber und Geduldete, die arbeiten dürfen, sowie alle Interessierte, die mit einer Arbeit in der Landwirtschaft Geld verdienen möchten.

Am 8. April starte für etwa 400 Betriebe in NRW die Spargelsaison. Auf den Feldern beginne die Rhabarber-Ernte, Kartoffeln, Salate, Kohl oder Lauch müssten ausgepflanzt und auch die ersten Erdbeeren müssten geerntet werden. Es gibt viele Vermittler-Plattformen, die Arbeitgeber der Landwirtschaft mit Arbeits- und Hilfswilligen zusammenbringen. Das Portal des Bundes, das regionale Vermittlungen ermöglicht, ist die Internetplattform www.daslandhilft.de. Das Angebot ist kostenlos.