Im Interview: Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer Handwerk sucht Auszubildende

Bonn/Köln · Kölner Kammerpräsident Wollseifer wirbt um Nachwuchsförderung auch in der Corona-Krise: Noch sind viele Plätze frei.

 Auf dem Bau ist die Auftragslage trotz Pandemie gut. Wartezeiten liegen in der Region bei bis zu rund 13 Wochen.

Auf dem Bau ist die Auftragslage trotz Pandemie gut. Wartezeiten liegen in der Region bei bis zu rund 13 Wochen.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Die Corona-Krise hat auch das Handwerk in der Region getroffen. Warum er trotzdem für Ausbildung wirbt, erklärt Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer im Gespräch mit Ralf Arenz.

NRW hat in Städten und Kreisen gewählt. Was erwartet das Handwerk von den neuen Räten und Kreistagen?

Hans Peter Wollseifer: Die politischen Konstellationen haben sich zum Teil geändert. Das Handwerk ist politisch neutral, hat aber Wünsche. Aus Sicht der Betriebe muss der Verkehr besser fließen, und es muss Parkplätze für unsere Fahrzeuge geben, damit wir zu den Kunden kommen können. Auch die Kfz-Zulassungsstellen im gesamten Kammerbezirk müssen besser werden, damit neue, umweltschonendere Autos der Betriebsflotten auch angemeldet werden können. Dazu braucht es Online-Zugänge. Wa­rum kann man einen Hund online anmelden, nicht aber ein Fahrzeug? Und: Baugenehmigungen müssen schneller erteilt werden, schließlich mangelt es doch an Wohnraum.

Die Grünen sind deutlich stärker geworden …

Wollseifer: Wie immer in der Inte­ressenvertretung gibt es Punkte, bei denen man sich einig ist und solche, bei denen das nicht der Fall ist. Die Energiewende wird es nur mit dem Handwerk geben, weil wir das umsetzen.  Wir sind es, die moderne Heizungs- oder Solaranlagen bauen, Häuser energieeffizient sanieren und E-Autos warten. Klar ist: Die Energiewende muss wirtschaftsverträglich sein.

Wie ist das Handwerk bislang durch die Corona-Krise gekommen?

Wollseifer: Insgesamt hat uns in Umfragen fast die Hälfte der Unternehmen von mehr oder weniger starken Einbrüchen bis hin zum Totalausfall berichtet. Besonders betroffen sind etwa Messebauer oder Caterer. Bau- und Ausbaugewerbe kommen dagegen bislang gut durch die Krise. Sie spüren aber, dass in den Bauämtern  wegen der Pandemie eingeschränkt gearbeitet wird. Ohne Baugenehmigungen gibt es weniger Aufträge für die Handwerker. Da wäre wichtig, dass die Verwaltungen wieder in den Regelbetrieb kommen. Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Umsatzminus, das erste seit 2013. Wir kommen aber besser durch die Krise als die Gesamtwirtschaft.

Woran liegt das?

Wollseifer: Unsere Betriebe sind sehr flexibel. Tischler, die zum Beispiel keine Aufträge für die Inneneinrichtung haben, bauen jetzt auch Plexiglasabtrennungen. Wir sind die Schnellboote der Wirtschaft, nicht die Tanker.

Die zweite Welle rollt und damit kommen neuen Beschränkungen. Könnte das Handwerk einen zweiten Lockdown verkraften?

Wollseifer: Einen zweiten flächendeckenden Lockdown werden die Betriebe nicht verkraften.  Irgendwann ist selbst bei denen Schluss, die sich in den letzten Monaten nicht haben unterkriegen lassen. Deshalb muss alles dafür getan werden, einen solchen Lockdown zu verhindern.

Was kostet die Pandemie die Betriebe etwa für Hygienemaßnahmen?

Wollseifer: Es gibt Einschränkungen. Wer früher mit sechs Monteuren in einem Auto zu einer Baustelle gefahren ist, nutzt heute zwei oder mehr Fahrzeuge. Auch die Abstandsregelungen bedeuten Mehraufwand – und klar: All das verursacht Kosten. Von Gewerk zu Gewerk in unterschiedlicher Höhe. Aber: Wenn die Maßnahmen überschaubar sind, werden die Kosten natürlich nicht an die Kunden weitergegeben. Zum Beispiel dann nicht, wenn lediglich eine Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeit getragen werden muss.  

Wie lange wartet man derzeit auf einen Handwerker?

Wollseifer: Die Wartezeit hat sich verkürzt, weil die Aufträge nicht mehr so zahlreich hereinkommen. Im Bau- oder Ausbaugewerbe dauert es bei planbaren Arbeiten aber schon noch 13 bzw. zehn Wochen, bis Handwerker Zeit haben.

Braucht das Handwerk Hilfen des Staates?

Wollseifer: Die Regierung hat in der Krise bislang gut und verantwortungsbewusst gehandelt und Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer, die oft eine knappe Liquiditätsdecke haben, wurden unter anderem mit Soforthilfen unterstützt: Steuern und Sozialabgaben wurden gestundet, es gibt zu 100 Prozent verbürgte KfW-Kredite. Ganz aktuell ist in dieser Woche die Antragstellung für die zweite Phase der Überbrückungshilfe gestartet. Nach Auslaufen des NRW Soforthilfe-Programms Ende Mai haben kleine und mittelständische Unternehmen, die Corona-bedingt einen erheblichen Umsatzausfall zu verzeichnen haben, nun die Möglichkeit, weiterhin - bis Ende Dezember - Überbrückungshilfe zu beantragen. Wenn die Corona-Pandemie aber noch einige Monate anhält, ist eine Verlängerung der Überbrückungshilfe über das Jahresende hinaus nötig. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass KfW-Kredite auch Firmen gewährt werden sollten, die bis zu zehn Mitarbeiter haben und nicht nur größeren. Ganz wichtig in diesem Kontext: Die Förderung von Ausbildungsbetrieben sollte mehr Betriebe einbeziehen: Geld gibt es derzeit nur für Betriebe, die die Zahl der Ausbildungsplätze stabil halten oder sogar ausweiten und unter der Voraussetzung eines hohen Umsatzausfalls von 60 Prozent.

Was genau schwebt Ihnen da vor?

Wollseifer: Auszubildende könnten bei den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen wie auch der Unfallversicherung Studenten gleichgestellt werden. Bis zum Alter von 25 Jahren etwa erhalten Studenten bei den Eltern gesetzlichen Krankenschutz in der Familienversicherung.

Sie haben intensiv für die Ausbildung im Handwerk geworben. Dennoch bleibt die Zahl derAusbildungsverträge hinter den Zahlen des Vorjahres zurück.

Wollseifer: Es gab keine Ausbildungsmessen, keine anderen Informationsveranstaltungen und auch keine Praktika während des Lockdowns. Dadurch hat sich die Anbahnung neuer Ausbildungsverhältnisse verzögert. Ende Mai hatten wir ein Minus von 18,5 Prozent bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Vergleich zum Vorjahr. Dann gab es zahlreiche virtuelle Informationsangebote und das Minus sank bis auf acht Prozent Ende September. Aber immer sind noch eine Menge Ausbildungsplätze frei und der Einstieg in eine Ausbildung ist noch weiter möglich, auch noch zum 1. November und 1. Dezember.  Wir hoffen, dass wir das Minus weiter reduzieren. Aber unsere Betriebe sind entschlossen, weiter auszubilden. Denn sie wissen: Weniger Auszubildende bedeuten weniger Facharbeiter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Belastung für die Krise
Kommentar zum Tarifbeschluss im öffentlichen Dienst Belastung für die Krise
Aus dem Ressort
...und zum Dritten
Die Bedeutung von Weinauktionen ...und zum Dritten