Bananen-Recycling und Milliarden-Poker Landwirte und Klimaschützer prägen Grüne Woche in Berlin

Berlin · Die Grüne Woche, die am Freitag in Berlin startet, wird von Protest der Landwirte und Klimaschützer beherrscht. Die Lebensmittelindustrie dagegen wirbt um Vertrauen.

 Am Freitag beginnt in Berlin die Grüne Woche, bei der rund 400 00 Gäste erwartet werden. Mehr als noch im letzten Jahr.

Am Freitag beginnt in Berlin die Grüne Woche, bei der rund 400 00 Gäste erwartet werden. Mehr als noch im letzten Jahr.

Foto: dpa/Annette Riedl

Am Freitag rollen wieder die Traktoren durch das Berliner Zentrum, am Samstag blockieren Tausende Gegner der konventionellen Landwirtschaft die Straßen und am Sonntag rücken Politiker wie Russlands Präsident Wladimir Putin oder sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan zur Libyen-Konferenz an. Dann wird das Regierungsviertel zur Festung. Ein paar Kilometer weiter auf dem Messegelände der Hauptstadt werden die Besucher der an diesem Freitag beginnenden Grünen Woche vom Geschehen auf der Straße wenig mitbekommen.

 Rund 400.000 Gäste erwarten die Veranstalter auf der weltgrößten Leistungsschau der Ernährungsbranche. Rekordmarken setzt die Messe schon im Vorfeld. Mehr als 1800 Aussteller aus 72 Ländern haben sich angemeldet, so viele wie noch nie in der 94-jährigen Geschichte der Grünen Woche. Auch politisch steht sie hoch im Kurs. Allein 70 Landwirtschaftsminister aus aller Welt reisen nach Berlin, um über Ernährungsfragen zu diskutieren.

Lebensmittelindustrie lässt Neuheiten probieren

 Für die meisten Besucher ist die Messe eher ein Verbrauchervergnügen. Die Lebensmittelhersteller bieten ihre Neuheiten zum Probieren und und werben um Vertrauen in ihre Industrie. Es gibt das erste Proteinpulver aus Insekten, Frühstückflocken aus vor dem Wegwerfen geretteten Bananen, ein aus aussortiertem Brot gebrauten Bier oder auch einen alkoholfreien Spitzenwein. Unternehmen wie McDonalds oder Danone präsentieren nachhaltige Verpackungen, Nestlè eine neue, vegetarische „Vurst“. Nachhaltigkeit ist der eine Oberbegriff der diesjährigen Schau. „Noch nie stand die Grüne Woche so stark im Zeichen der Klimadebatte“, stellt Messe-Chef Christian Göke fest. Auch die Bewegung Fridays for Future hat einen Infostand angemeldet.

 Die Hersteller passen sich den Verbraucherwünschen nach einer nachhaltigen Produktion nach eigenen Angaben an. „Diesen Weg werden sie konsequent weitergehen“, versichert Christoph Minhoff, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BDE). Die Geschäftsentwicklung der Branche bestätigt den Kurs zumindest den Zahlen nach. Im vergangenen Jahr stiegen die Umsätze der Industrie um gut zwei Prozent auf 183 Milliarden Euro.  Doch während die Besucher sich an kulinarischen Spezialitäten aus aller Welt erfreuen wird hinter den Kulissen hart um die Zukunft der Landwirtschaft gerungen. Das werden nicht nur die beiden Demonstrationen in den kommenden Tagen zeigen. Die Landwirte sind sauer, weil sie sich von der Politik im Stich gelassen und mit neuen Umweltauflagen überfordert fühlen. Bauernpräsident Joachim Rukwied fordert Klarheit von der Politik, etwa beim Tierwohl oder der künftigen europäischen Agrarförderung. „Wir brauchen mehr Planungssicherheit“, sagt er und verlangt eine Beibehaltung der EU-Subventionen auf dem bisherigen Niveau. Der Einsatz des umstrittenen Herbizids Glyphosat könnte laut Rukwied helfen, die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen. Bei klimaschonenden Verfahren wie Mulchsaat und Direktsaat sei der Wirkstoff ein notwendiges Werkzeug für bestimmte Witterungssituationen - „nicht in jedem Jahr und nicht auf jedem Acker“, sagte der Bauernpräsident.

 Nur wenige Meter von Rukwied entfernt melden sich die Ökobauern zu Wort. Auch sie verlangen klare Rahmenbedingungen durch die Politik. Nur das Ziel ist ein anderes als das des Bauernverbands. Deutschland und die EU müssten „den Umbau der Landwirtschaft angehen“, fordert Alexander Gerber vom Vorstand des Bunds Ökologische Landwirtschaft (BÖLW). Statt Fördermittel nach der Betriebsfläche zu gewähren solle die EU die Leistungen der Betriebe bei Umwelt-, Klima- und Tierschutz honorieren. Zwischen beiden Positionen liegen Welten. Eins ist konventionellen Landwirten und Ökobauern nur, dass es beiden wirtschaftlich nicht gut geht. Den Grundsatzstreit um die Zukunft der Branche würde Agrarministerin Julia Klöckner gerne beilegen, etwa durch gemeinsame Gespräche während der Grünen Woche. Die Erfolgsaussichten dafür erscheinen angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Landwirtschaft jedoch mäßig.

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