Middelhoff-Fahrer: "Stau war für ihn das Schlimmste"

Essen · Der Dienstwagen war eine Art zweites Büro für den ehemaligen Arcandor-Chef. Dort las er Akten und telefonierte. Doch Staus waren ihm ein Gräuel.

 Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff im Gerichtssaal in Essen. Foto: Roland Weihrauch

Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff im Gerichtssaal in Essen. Foto: Roland Weihrauch

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Verkehrsstaus sind für Thomas Middelhoff in seiner Zeit als Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor ein rotes Tuch gewesen. Das berichtete der langjährige Fahrer des Managers im Essener Untreueprozesse gegen Middelhoff. "Stau war das Schlimmste für ihn", sage der Fahrer. Einmal sei Middelhoff sogar aus dem stehenden Fahrzeug gestiegen, um nach einer Möglichkeit zu suchen, anders ans Ziel zu kommen.

Der Fahrer bestätigte Aussagen, dass Bauarbeiten am Kamener Kreuz zeitweise die Fahrzeiten von Middelhoffs Wohnsitz in Bielefeld zur Firmenzentrale in Essen deutlich verlängert hätten. Statt knapp zwei Stunden habe die Fahrt in Einzelfällen bis zu vier Stunden gedauert. Middelhoff hatte diese unkalkulierbaren Verzögerungen als Grund genannt, warum er insgesamt 28 Mal auf Firmenkosten Privatjets und Hubschrauber für die Strecke genutzt hatte. Die unkalkulierbaren Fahrzeiten seien für die Firma nicht hinnehmbar gewesen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Middelhoff vor, dem inzwischen pleitegegangenen Handelskonzern diese insgesamt 80 000 Euro teuren Flüge zu Unrecht in Rechnung gestellt zu haben, da der Weg zur Arbeit grundsätzlich vom Arbeitnehmer selber zu tragen sei.

Der Fahrer berichtet von 15-Stunden-Tagen des Arcandor-Chefs. Auch während der Fahrten im Dienstwagen habe der Manager praktisch ununterbrochen gearbeitet. "Es gab eigentlich keine persönlichen Gespräche", erzählt der langjährige Mitarbeiter. Middelhoff habe zu arbeiten angefangen, wenn er ins Auto gestiegen sei. Er habe Akten gelesen und telefoniert. Meist habe er noch beim Aussteigen das Handy am Ohr gehabt.

Sein vor Gericht verlesener Dienstvertrag sicherte ihm ein Monatsgehalt von 47 000 Euro sowie Tantiemen von mindestens 180 000 Euro im Jahr und darüber hinaus Bonuszahlungen von bis zu 900 000 Euro zu.

Trotzdem hatte der Manager erst am vergangenen Wochenende Spekulationen entgegentreten müssen, er stehe vor dem finanziellen Ruin. Auf die Frage: "Sind Sie pleite?" erwiderte Middelhoff der Nachrichtenagentur dpa: "Ganz klare Antwort. Nein." Er räumte aber ein, dass er am Freitag vor dem Gerichtsvollzieher über seine Vermögensverhältnisse habe Auskunft geben müssen - im Volksmund Offenbarungseid genannt.

Der Manager sagte, sein Problem sei, dass er an seine Liquidität nicht herankomme, die von der Bank Sal. Oppenheim blockiert werde. Am Freitag war Middelhoff nach dem Termin beim Gerichtsvollzieher aus einem Fenster geklettert und über ein Garagendach geflüchtet, um wartenden Journalisten zu entgehen.

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