Landgericht Bonn senkt Bußgeld 1&1 kommt glimpflich davon

Bonn · „Ein Millionenbußgeld gab dieser Verstoß einfach nicht her!“ Mit diesen Worten schloss Thomas Stollenwerk am Mittwochnachmittag seine Urteilsbegründung. Fünf Verhandlungstage lang hatte sich der Vorsitzende Richter der 9. Kammer für Bußgeldsachen am Bonner Landgericht mit dem Einspruch des Telefonunternehmens 1&1 gegen einen Bußgeldbescheid des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) befasst.

  Ein Bürokomplex  des Internetunternehmens 1&1 in Montabaur in Rheinland-Pfalz.

Ein Bürokomplex des Internetunternehmens 1&1 in Montabaur in Rheinland-Pfalz.

Foto: Thomas Frey/dpa/Illustration

Statt der ursprünglich geforderten 9,55 Millionen Euro muss das Unternehmen mit Sitz im rheinland-pfälzischen Montabaur nun „nur“ 900 000 Euro zahlen. 1&1 reichten „mindestens bis zum März 2019“ Name und Geburtsdatum eines Kunden, um auch vorgeblichen Angehörigen telefonisch Auskunft über weitere Details des Kundenverhältnisses zu geben.

Gericht sieht berechtigten Vorwurf

Den Vorwurf, gegen Paragraf 32 der Datenschutzgrundverordnung (DSGV) verstoßen zu haben, sah das Gericht allerdings durchaus als berechtigt an und befand das Unternehmen in diesem Sinne für schuldig: Anders, als es im deutschen Recht bislang üblich sei, gehe das supranationale europäische Recht allerdings von einer unmittelbaren Verbandshaftung aus, so Stollenwerk in der Urteilsbegründung. Das bedeutet, dass nicht, wie hierzulande bislang üblich, eine natürliche Person in Leitungsfunktion Adressat des Bußgeldbescheides sein muss, sondern auch eine juristische Person als Empfänger infrage kommt.

Diese Sicht sei durchaus nicht unumstritten, ein österreichisches Gericht habe in einem ähnlichen Fall erst kürzlich anders entschieden. Und auch die Anwälte der Montabaurer hatten auf diese Weise versucht, eine Einstellung des Verfahrens zu erwirken. Die Kammer sah das aber anders: „Für einen Organisationsmangel hat das Unternehmen insgesamt einzustehen“, stellte Stollenwerk die Rechtsauffassung seiner Kammer klar. Das entspreche dem Willen des europäischen Gesetzgebers, der nicht beabsichtigt habe, gleiche Tatbestände innerhalb Europas unterschiedlich zu ahnden.

Abwägung bei Bußgeld

Bei der Bemessung der Höhe des Bußgeldes ging die Kammer aber von anderen Voraussetzungen aus als der Bundesbeauftragte: „Es drohte kein Massendiebstahl von Kundendaten“, stellte der Vorsitzende heraus: Zum einen hätten Anrufer schon eine gewiefte Taktik anwenden müssen, um die gewünschten Daten unberechtigt in Erfahrung bringen zu können.

Im Frühjahr 2019 hatte eine Frau in einem Callcenter des Unternehmens angerufen und den Stein damit ins Rollen gebracht. Sie brachte durch geschickte Nachfragen die Telefonnummer ihres Ex-Mannes in Erfahrung, den sie in der Folge durch unzählige Anrufe belästigte.

Keine sensiblen Daten

Zum anderen habe es sich auch nicht um besonders sensible Daten gehandelt und das Unternehmen habe schnell mit den Datenschützern kooperiert. Auch mit Blick auf die Öffentlichkeit, die ein Millionenbußgeld mit einem schwerwiegenden Verstoß assoziiert hätte, sah die Kammer die nun ausgesprochenen 900 000 Euro als angemessen an.

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