Firmenübernahmen in NRW 268 NRW-Firmen ins Ausland verkauft

Düsseldorf · Experten sehen gute Erfahrungen mit ausländischen Investoren. Daher warnt die Wirtschaft vor Abschottung.

 Prominentes Beispiel für den Verkauf ins Ausland: Kaufhof wurde von der kanadischen Hudson's Bay übernommen.

Prominentes Beispiel für den Verkauf ins Ausland: Kaufhof wurde von der kanadischen Hudson's Bay übernommen.

Foto: dpa

Das Bemühen der Bundesregierung, deutsche Unternehmen besser vor feindlichen Übernahmen zu schützen, stößt auf Kritik. Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer der Iindustrie- und Handelskammer (IHK) NRW, wünscht sich „mehr Mitspracherecht für die verkaufenden Eigentümer“. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt: „Das Gefahrenpotenzial feindlicher Übernahmen durch ausländische Unternehmen muss gegenüber den hohen Gütern Eigentumsschutz und Vertragsfreiheit abgewogen werden.“ Auch der Kommunikationsverband Bitkom warnt: „Die Initiative geht in die falsche Richtung. Wir dürfen kein Signal der Abschottung an die internationalen Märkte senden.“

Neue Verordnung ermöglicht Veto gegen ausländische Übernahme

Die Bundesregierung weitet ihr Vetorecht bei Firmenübernahmen deutlich aus. Entsprechend einer neuen Verordnung (BAnz AT 17.07.2017 V1) kann der Verkauf deutscher Unternehmen künftig untersagt werden, wenn dadurch wichtiges Know-how ins Ausland geht. Als Gefährdung der öffentlichen Ordnung gilt nun etwa eine Firmenübernahme, die kritische Infrastruktur von Krankenhäusern oder Flughäfen betrifft – und sei es nur deren Software.

Anlass für die Sorge der Bundesregierung ist offenbar die Entwicklung des vergangenen Jahres: Mit 56 Unternehmen kauften vor allem Chinesen doppelt so oft deutsche Unternehmen auf wie im Vorjahr. Nach Berechnungen des Münchener Ifo-Instituts hat sich das Volumen der chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland im vergangenen Jahr auf elf Milliarden Euro verfünffacht. Für Aufsehen sorgte unter anderem der Augsburger Roboterhersteller Kuka. Der Aufkauf des Aachener Maschinenbauers Aixtron durch Investoren aus Fernost wurde in letzter Sekunde durch eine Intervention der USA verhindert. Begründung: „Risiken für die nationale Sicherheit“.

128 Investoren kamen von außerhalb der EU

Das NRW-Wirtschaftsministerium erstellte auf Anfrage unserer Redaktion eine Statistik über die Entwicklung in NRW. Demnach wurden von 2012 bis 2016 insgesamt 268 Unternehmen aus NRW zu 100 Prozent von ausländischen Investoren übernommen. In 128 dieser Fälle stamme der Investor aus einem Nicht-EU-Staat. In weiteren 41 Fällen haben Nicht-EU-Investoren Anteile von mindestens 25 Prozent an nordrhein-westfälischen Unternehmen übernommen. 25 Prozent Besitzanteil reichen für einen erheblichen Einfluss auf Unternehmen.

Prominente Beispiele für den Verkauf von NRW-Unternehmen an chinesische Investoren waren der Verkauf des Autozulieferers Kiekert (2012) und der ThyssenKrupp-Tochter Tailored Blanks (2013). Aber auch das westliche Ausland kaufte kräftig in NRW ein. So ging 2015 die Kaufhauskette Kaufhof an den kanadischen Investor Hudson’s Bay.

Ifo-Experte Gabriel Felbermayr sagt: „Deutschland ist mit großen Investitionen ausländischer Konzerne – Ford, IBM oder Seiko – gut gefahren.“ Das gelte aber vor allem für profitorientierte Investoren aus Marktwirtschaften wie den USA oder Japan. Felbermayr: „Anders ist es, wenn Staaten wie China mit ihren Investitionen geostrategische Interessen verfolgen.“ Dann gebe es die Gefahr, „dass die Interessen der neuen Eigentümer jenen des Standorts zuwiderlaufen“.

NRW-Wirtschaftsministerium: Auch deutsche Firmen profitieren

Das NRW-Wirtschaftsministerium erklärt: „Die Landesregierung setzt sich generell für freien Handel unter Wahrung des Prinzips der Gegenseitigkeit ein.“ Zwar werde das in den Unternehmen vorhandene Know-how bei einer Übernahme durch das Ausland miterworben. Davon würden umgekehrt aber auch NRW-Unternehmen bei der Übernahme eines ausländischen Unternehmens profitieren.

Gerade bei Investitionen in China werden deutsche Unternehmen von den dortigen Behörden aber oft gestoppt. In der Regel wird ihnen auferlegt, dort nur gemeinsam mit einer einheimischen Firma investieren zu dürfen. Vor diesem Hintergrund begrüßt Hendrik Wüst, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung NRW und NRW-Verkehrsminister, die neue Verordnung der Bundesregierung als zusätzliche Verhandlungsmasse: „Das ist ein maßvolles letztes Mittel, um unsere Interessen insbesondere gegenüber Partnern zu wahren, die noch immer keine Investitionen deutscher Firmen ohne einheimische Beteiligung zulassen.“

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