"Es geht ums Überleben" 900 bis 1000 Stellen fallen im Rheinischen Revier weg
BERGHEIM · "Es geht ums Überleben." Matthias Hartung, der Vorstandschef der RWE-Erzeugungssparte Generation, fand gestern deutliche Worte. 428 Millionen Euro betrug das betriebliche Ergebnis der Sparte, einst Prunkstück des Energieriesen, im ersten Quartal des laufenden Jahres.
Das sind 23 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Wie sehr die Sparte im Zuge der Energiewende unter Druck geraten ist, zeigt ein Blick ins Jahr 2013. Damals wurde von Januar bis März ein betriebliches Ergebnis von 745 Millionen erzielt. "Hätten wir nicht frühzeitig und mit großer Konsequenz Neo, unser Effizienzprogramm, aufgelegt, wären wir heute in den roten Zahlen", sagte Hartung. Jährlich würden dem Konzern ohne Neo mehrere hundert Millionen Euro fehlen.
Die Großhandelspreise seien auf unter 32 Euro je Megawattstunde gesunken, so Hartung. Dabei verkauft RWE Strom zum Teil mehrere Jahre im Voraus und erlöste früher mehr. "Somit spiegelt das aktuelle Ergebnis die höheren Preise der Vergangenheit", sagte Hartung. Für die kommenden Jahre müsse der Konzern mit deutlichen Verschlechterungen rechnen.
Dabei ist die Stromproduktion im ersten Quartal um sieben Prozent auf 49,1 Terawattstunden gestiegen, auch weil die Verfügbarkeit der Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier um fünf Prozentpunkte auf 93 Prozent stieg. Die Braunkohleförderung kletterte um drei Prozent auf 25 Millionen Tonnen.
Hartung begrüßte, dass die Koalition auf den ursprünglich geplanten Klimabeitrag für alte Kohlekraftwerke verzichtet. RWE hätte dann 17 von 20 Kraftwerksblöcken und zwei der drei Tagebaue stilllegen müssen. Das hätte RWE und die Stromkunden wegen höherer Strompreise 4,3 Milliarden gekostet oder bis zu 36 Euro im Jahr für den Durchschnittshaushalt. Und im Rheinischen Revier hätte es Strukturbrüche gegeben, die für RWE nicht akzeptabel gewesen wären.
Etwa 900 bis 1000 Stellen fallen laut RWE im Rheinischen Revier weg, wenn Braunkohlekraftwerke in Reserve und dann ganz vom Netz gehen. RWE produziert die Hälfte des deutschen Braunkohlestroms und geht davon aus, dass auf den Konzern auch die Hälfte des von der Koalition beschlossenen Kapazitätsabbaus von 2,7 Gigawatt entfällt. Der Stellenabbau soll sozialverträglich erfolgen.
Es werden Kraftwerke von 2017 bis 2020 in eine Reserve überführt und dann vier Jahre später ganz vom Netz genommen. Das koste pro Jahr 900 Millionen oder etwa acht Euro pro Haushalt. Welche Kraftwerke vom Netz gehen, lasse sich noch nicht sagen. Erst nach der Sommerpause werde verhandelt. Auf RWE entfalle etwa die Hälfte des Braunkohlestroms und somit die Hälfte der Kapazität, die vom Netz geht, so Hartung. Das entspricht vier bis fünf Kraftwerksblöcken mit einer Leistung von 300 Megawatt.
RWE hat im Rheinischen Revier derzeit eine Erzeugungskapazität von zehn Gigawatt und knapp 10.000 Mitarbeiter.